Der Liebesschwindel im Internet

In sozialen Medien wie Facebook machen Internet-Betrüger Jagd speziell auf Seniorinnen und Senioren. Hilfe und Information für alle bieten Veranstaltungen in Graz.  

In den sozialen Netzwerken breitet sich eine gigantische Welle aus, die Internetexpertin Sabine Wagner von der Kripo Graz schlicht Liebesschwindel nennt, im Fachjargon Scamming. Besonders in Freundschaftsanfragen auf Facebook umgarnen vermeintlich attraktive Männer die vorwiegend weiblichen User, bieten sich als Lebensgefährten an, wecken neben dem Gefühl der Zuneigung auch das des Mitleids und kassieren letztlich ab. Viele Frauen fallen auf die Masche herein, die Dunkelziffer kann allein in einem Land wie der Steiermark in die Tausende gehen. Auch Männer sind solche gezielten Betrugsopfer. „Wenn man ihnen sagt, dass sie auf einem Betrüger hereinfallen, glauben sie es nicht“, erzählt die Gruppeninspektorin Wagner im Gespräch mit Abenteuer Alter aus ihrem Berufsalltag.

Die Masche ist ganz einfach und eigentlich leicht durchschaubar. Männer, die ein Foto als äußerlich attraktiv zeigt und die interessant anmutende Berufe angeben, begeben sich in den sozialen Netzen auf Partnersuche. Häufig geben sie sich als angebliche US-Piloten, Militärärzte oder Marinesoldaten aus, fast immer sind es Uniformträger, die sagen, irgendwo in Nahost stationiert und einsam zu sein. Diese Information und all die vielen, die folgen, tauschen sie mit den Facebook-Usern schriftlich und in englischer Sprache aus. Die meisten einsamen Frauen, die interessiert sind, bedienen sich der Google-Übersetzung und verfassen ihre eigenen Nachrichten auf ähnliche Weise. Auf dem Keyboard entstehen intensive Dialoge und Liebeserklärungen, auf die rasch eindringliche Bitten um Geld folgen. Die Betrüger appellieren an das Mitleid ihrer Facebook-Freundinnen, wenn sie Operationen als Verwendungszweck nennen. Viele geben vor, sie hätten Kampfverletzungen erlitten.

Diese betrügerische Masche nimmt Frauen jeden Alters ins Visier, warnt Wagner. Besonders aber die Einsamen jenseits der Lebensmitte. Für manche alleinstehende Frau mit geregeltem Einkommen scheint die Verlockung einer neuen Zweisamkeit mit einem aufregenden Mann sehr groß zu sein. Die Expertin hält Frauen über 50 sogar für sehr gefährdet und sie weiß, dass schon 70-jährige auf die Masche hereingefallen sind und viel Geld verloren haben.

Sabine Wagner ist quasi im Selbstversuch diesen Betrügern und ihrer Masche auf die Schliche gekommen. Sie hat nach solchen Anbiederungsversuche auf einem Facebook-Account die angeblichen Soldaten oder Sanitäter direkt angeschrieben und zur Rede gestellt. Ihr war nach zwei Sätzen klar, dass am anderen Ende ein Betrüger sitzt, weil dessen schlechtes Englisch nicht zum Profil eines gebildeten Uniformträgers passt. Wie sie herausfand, sind das tatsächlich keine hellhäutigen Elitesoldaten mit Uni-Abschluss, sondern afrikanische Männer, die sich im Auftrag großer Betrugsnetzwerke im Internet an Frauen und ihr Geld heranmachen. Wer einigermaßen englisch kann, wird das leicht feststellen, so Wagner, und sollte den Kontakt sofort abbrechen. Wer aber auf die Google-Übersetzung angewiesen und emotional nicht sehr stabil ist, dem bleibt die Wirklichkeit in der Anonymität des Internets und des schriftlichen Austauschs verborgen. Dann entfaltet die Täuschung der Frauen ihre Wirkung.

„Viele wollen nicht glauben, dass sie auf Betrüger hereingefallen sind.“ – Sabine Wagner

Die Expertin gibt zu bedenken, dass nicht nur die Frauen, die auf diese Weise in die Irre geführt und pekuniär erleichtert werden, Opfer sind, sondern auch die afrikanischen Männer. Sie leben in den prekären Verhältnissen ihrer Heimat, stehen unter dem Druck skrupelloser Anführer von Betrugsnetzwerken und sind selbst Ausgebeutete und Unterdrückte. Wer diese Art der betrügerischen Anmache nur ein wenig verfolgt, wird immer wieder die gleichen Gesichter von attraktiven Männern sehen und oft identische gefakte Lebensläufe erkennen. Das weist auf ein großes organisiertes Netzwerk von Berufskriminellen hin.

Liebesschwindel im Internet ist keine Peinlichkeit und kein Kavaliersdelikt, mahnt Sabine Wagner, sondern eine ganze Ansammlung von Straftaten. Sie reichen vom Identitätsdiebstahl durch das Verwenden des Fotos einer anderen Person bis zur Täuschung und zum Betrug. Sie kennt Frauen, die oft stolz und beglückt von solchen „Freundschaften“ berichten und die tatsächlich glauben, dass der angebliche US-Soldat kommen und sie heiraten wird. Sagt sie ihnen, dass das nur Schwindel sei, erntet sie böse Kommentare.

 

Die einzige „Waffe“ dagegen ist ihr Job Kriminalprävention, also Vorsicht und Vorsorge, sagt die Expertin, die seit vielen Jahren Erfahrung in diesem Bereich gesammelt hat. Das bedeutet hauptsächlich, das Problem bewusst und publik zu machen. Wer weiß, dass es solche Gefahren gibt, meidet entsprechende Situationen. Wagner erinnert an die jüngsten Fälle von falschen Polizisten, die Seniorinnen und Senioren Geld und Wertsachen herausgelockt haben. Als davon in der Zeitung stand – ein Medium, das die Älteren lesen – ging die Zahl der Fälle signifikant zurück, weil die potenziellen Opfer vorgewarnt waren und sich entsprechend verhielten. „Diese Art von Betrug öffentlich zu machen, hilft und schützt die Menschen“, weiß Sabine Wagner. Dieselbe Wirkung erhofft sie sich von Prävention in Sachen Liebesschwindel im Internet.

Gemeinsam mit der Stadtbibliothek Graz bietet allen Interessierten die Polizei deshalb im Frühjahr 2021 in Kurzseminaren Hilfe gegen Fake News und Online-Betrug an. Gruppeninspektorin Wagner zeigt, wie man alle Arten von Online-Betrug erkennt und sich dagegen wehrt. An ihrer Seite spricht Mag. Boris Miedl von der Stadtbibliothek Graz über die konkreten Gefahren, die Fake News gerade für ältere Internet-User bedeuten. Die Verfasser von Informationen, die als Verschwörungstheorien gelten, wollen Menschen nicht nur politisch manipulieren, sondern sind letztlich auf nichts Anderes als deren Geld aus. Besonders Ältere, die nicht geübt im Internet sind, erkennen selten, dass etwa ihr harmloses Interesse für irgendeine prominente Person sie in Visier der skrupellosen Internetbetrüger rückt. Die führen sie auf eine Spur von Fake News und kassieren mit jedem Klick, den ein ahnungsloser User macht.

„Mit jedem Klick machen sie Geld.“ – Boris Miedl

„Das Internet verstehen und sicher surfen“

Die Informationsreihe zur Prävention von Straftaten im Internet wird veranstaltet vom Sicherheitsinformationszentrum (Sinfo), der Polizei und der Stadtbibliothek Graz.

Gruppeninspektorin Sabine Wagner berichtet über Betrug und andere Kriminalität im Internet und gibt wertvolle Tipps, wie sich Bürgerinnen und Bürger schützen können. Mag. Boris Miedl von der der Stadtbibliothek Graz erläutert, wie Medienkompetenz und digitale Bildung vor Fake News und Online-Betrug schützen.

Die Veranstaltungen in der Stadtbibliothek Graz-Nord in der Theodor Körner-Straße 59 (nahe dem Seniorenzentrum) dauern rund drei Stunden und sind für jedermann zu empfehlen.

Termine und Anmeldung beim Sicherheitsinformationszentrum (Sinfo) in Graz, Keplerstraße 25 (nahe der Berufsfeuerwehr) und unter 0316 872 5777.

© Luef Light
Johannes Kübeck
21.07.2021