Der Sound der grauen Wölfe 

Das Abenteuer Musik hört für vier Nette Ëltere Herren nicht auf.

Vier beruflich erfolgreiche Grazer in den besten Jahren machen seit ihren Jugendtagen Livemusik und haben aus ihrer Lust an flotten Rhythmen auch ein Abenteuer in der besseren Lebenshälfte gemacht. Mit großer Ernsthaftigkeit, noch größerem Spaß und mit einem Schuss Selbstironie begannen sie 2016 aus Stimme, Keyboard, Gitarre, Schlagzeug und Bassgitarre ihre eigenen Lieder und den eigenen Sound zu formen. Sie seien jetzt alt genug für ein schöpferisches Abenteuer, hatte Mastermind Willi Paar (69) seine Freunde überzeugt.

So entstand die Gruppe Nette Ëltere Herren, mit der sie das Musizieren und Singen, die zweite Liebe ihres Lebens, konsequent und produktiv zum neuen Lebensinhalt machen. Der ehemalige Chemiker Willi Paar sitzt am Schlagzeug, sein Bruder Gerhard (58), ein Weltraumforscher mit dem Schwerpunkt Mars, will auch mit Keyboards hoch hinaus. Das Grazer Brüderpaar ergänzt an der Gitarre der Richter Werner Zinkl (58), einst Präsident der österreichischen Richtervereinigung, in die Saiten der Bassgitarre greift Musikalienhändler Kurt Greilberger (56).

Die Corona-Pandemie bringt für die ganze Gruppe einen starker Einschnitt ihrer Aktivitäten. Aber sie lassen sich nicht davon ab, sondern treffen sich wöchentlich in Willis Keller zum Üben und Tratschen und bereiten professionell und geduldig die öffentliche Präsentation ihres ersten Albums „Merk-Würdige Lieder“ vor. Kaufen kann man es längst über ihre Homepage.

So ist der Alltag weiter von Musik geprägt. Willi Paar kann auf die Toleranz seiner Gerhild setzen, wenn sein Schlagzeug täglich ordentlich hollert, wie er sagt, und durch das Haus dröhnt. Bruder Gerhard hat bei seinem Arbeitgeber, Joanneum Research, sogar die Arbeitszeit als Marsforscher reduziert, damit er genug Zeit für seine musikalischen Höhenflüge hat. Kurt hat ohnehin auch im Berufsalltag mit Musik zu tun und Werner holt sich mit der Musik Ausgleich für die Stunden bei Gericht.

Öffentlich aufzutreten ist auch für die vier grauen Musikwölfe das höchste der Gefühle. In wechselnder Besetzung waren sie als junge Männer Teil einer Tanzkapelle und tingelten später als „Austro Four“ durch die Lande. Da haben sie den Zauber erlebt, wenn der Funke auf das Publikum überspringt, wenn Musik und tanzende Körper miteinander zu verschmelzen scheinen und wenn es so richtig zwischenmenschelt. Seit vielen Jahren wird ihnen immer aufs Neue freudig bewusst, dass es auch ein anderes Hochgefühl gibt als Familie und Karriere.

Der Musik der Netten Ëlteren Herren ist das Lustvolle von Life-Auftritten anzumerken. Wie der größte Teil ihrer Generationen haben sie das breite Spektrum der zeitgenössischen Musik in sich aufgesogen und wurden musikalisch gleichsam mit dem Austropop sozialisiert. Aus diesem Erbe haben sie einen eigenen Stil entwickelt, der ihre Werke nicht nur zum rhythmischen Hörgenuss macht, sondern auch mit ausreichend inhaltlichem Unernst und Ironie würzt. So wird das Ablaufdatum eines Apfeljoghurts zum Epos und die gespannte männliche Bauchdecke zum Resonanzraum. Dem geliebten VW-Käfer widmen sie eine Hymne und den Ameisen – natürlich als „Aumeisen“ ausgesprochen – attestiert ein Lied, dass sie „schiach beissn“. Der akademische Background der Vier ist zu spüren, wenn sie die zweifelhaften Errungenschaften der künstlichen Intelligenz oder des autonomen Autofahrens kritisch-humorvoll aufs Korn nehmen.

All das ist auf der DVD „Merk-würdige Lieder“ zu hören, die im Pandemiejahr 2020 herauskam. Hörbeispiele gibt es auf der Homepage und bei Youtube (https://www.youtube.com/watch?v=F2MqBthGzLE). Auffallend sind die gut gemachten Videoclips. Da ist nichts unprofessionell, die Netten Ëlteren Herren sind in jeder Hinsicht auf der Höhe der Zeit. Denn das Album gibt es auch als Vinyl-Schallplatte, dem Tonträger, mit dem sie einst aufgewachsen sind.

 

21.07.2021
© Christine Weinberger &  Nette Ëltere Herren