Dr. Riedl klärt auf – Übergewicht

Mehr als bloß ein paar Kilos zu viel auf der Waage: Adipositas ist eine chronische Erkrankung, bei der sich das Fettgewebe im Körper überdurchschnittlich vermehrt. Welche Macht die Gene haben und welche Strategien Wirkung zeigen.

Am Bild ist Dr. Matthias Riedl, Ernährungs-Doc zu sehen.
Eine pflanzenbasierte Ernährung als auch regelmäßige Bewegung sind für einen gesunden Körper so notwendig wie das tägliche Zähneputzen. © Andreas Sibler

Das Problem mit Übergewicht ist weit verbreitet: Bei 35 Prozent der Erwachsenen hierzulande zeigt die Waage mehr als bloß ein paar Kilos zu viel an. Sie haben einen Body-Mass-Index (BMI) von 25 und höher – einem Wert, der das Körpergewicht ins Verhältnis zur Körpergröße setzt. Rund 17 Prozent leiden an Adipositas, einer chronischen Ernährungs- und Stoffwechselstörung. Nach der aktuell gültigen Definition der Weltgesundheitsorganisation liegt eine Adipositas bei Menschen ab einem BMI von 30 vor. 

Allerdings ist es auch mit einem vermeintlich niedrigen BMI möglich, dass die Verteilung von Körperfett gesundheitsschädlich ist. Denn es macht einen wesentlichen Unterschied, wo Fettgewebe abgespeichert wird. Daher wird derzeit auch diskutiert, ob für eine Diagnose nicht eine grundsätzliche Erhebung weiterer Daten zum Körperfett wichtig wäre – etwa Messungen zum Taillenumfang, dem Verhältnis Taille zu Hüfte oder Taille zu Körpergröße. Der Body-Mass-Index steht schon länger in der Kritik, allein zu wenig aussagekräftig in Bezug auf Adipositas zu sein. Das bestätigt auch Ernährungsmediziner Matthias Riedl. „Derzeit läuft die Definition noch streng über den BMI. Man kann jedoch einen relativ normalen BMI und dennoch einen großen Bauch haben. Daher wird man wohl künftig weitere Parameter wie den Bauchumfang mit einbeziehen.“ 

Am Bild ist eine ältere Dame, ein älterer Mann und ein Hund beim Spaziergang zu sehen.
Bei älteren Menschen ist der Energiebedarf um ein Drittel reduziert. © PeopleImages.com – Yuri A / Shutterstock.com

Epigenetischer Code

Welche Risikofaktoren liegen einer Adipositas überhaupt zugrunde? Genetik und Epigenetik spielen einmal mehr eine essenzielle Rolle. „Es gibt eine starke genetische Disposition für die Erkrankung“, führt der Mediziner aus. Werdende Eltern stellen bereits durch ihren eigenen Lebensstil die Weichen für die Entwicklung ihrer Kinder. Der sogenannte epigenetische Code bestimmt mit, welche Gene im Erbgut aktiviert werden und welche nicht. „Kinder können eine höhere Neigung dazu haben, übergewichtig zu werden, wenn der Vater bei der Zeugung und die Mutter in der Schwangerschaft übergewichtig waren. Das wirkt ein Leben lang nach. Es gilt übrigens in gleicher Weise für Unterernährung.“ 

Im Rahmen der familiären Sozialisierung werden Ernährungsgewohnheiten von den Eltern weitergegeben, der selbst gewählte Lebensstil jedes und jeder Einzelnen von uns trägt dann noch das Seine dazu bei. Mit der zunehmenden Zahl an Lebensjahren steigt das Risiko einer Fettleibigkeit deutlich. „Je älter wir werden, desto geringer ist die sportliche Intensität, es werden auch keine Nächte mehr durchgetanzt. Dazu kommen Einschränkungen in den Gelenken, auch hier wird der Bewegungsradius vermindert.“ Darüber hinaus ist der tägliche Energiebedarf anders zu bewerten: „Bei älteren Menschen ist er um ein Drittel reduziert, beträgt also nur noch rund 70 Prozent des Energiebedarfs eines 20-Jährigen“, klärt Riedl auf.

Am Foto sind verschiedene Gemüsesorten zu sehen.
Mit einem Konsum von 500 Gramm Gemüse pro Tag hat man gute Chancen, sein Gewicht halten zu können. © Framarzo / Shutterstock.com

Klassische Fallen

Was sind denn nun klassische Fallen, die im Laufe der Jahre zu unkontrollierter Gewichtszunahme führen? Tatsächlich braucht es erhöhte Sensibilität dafür, was man für gewöhnlich Tag für Tag zu sich nimmt. Häufig spielen Fertiggerichte auf dem Menüplan eine viel zu große Rolle. „Ich würde komplett auf hochverarbeitete Lebensmittel verzichten. Denn hierbei kommen unterschiedliche Zuckerarten zum Einsatz – nicht zuletzt vor allem Fruchtzucker, der zu einer deutlichen Zunahme des Bauchfetts führt. Mit einem Konsum von 500 Gramm Gemüse pro Tag hat man gute Chancen, sein Gewicht halten zu können.“ Wer öfter einmal im Restaurant isst, sollte auch dort darum bitten, den zumeist viel zu hohen Gehalt an Kohlenhydraten in den Gerichten zu reduzieren. Weniger Fleisch und Kartoffel, dafür mehr Gemüse lautet die Devise, „das ist eine wichtige Maßnahme“.

Begleitend braucht es körperliche Aktivität: „Man muss sich klar vor Augen halten, dass sowohl eine pflanzenbasierte Ernährung als auch regelmäßige Bewegung für einen gesunden Körper so notwendig wie das tägliche Zähneputzen sind“, betont Riedl, „es muss nicht notwendigerweise immer eine Sporteinheit sein. Spaziergänge sind eine gute Basis. Wanderungen, Touren durch den Wald oder Nordic Walking leisten gerade im höheren Alter viel Gutes.“

Am Foto ist eine Yoga-Gruppe zu sehen.
Neben möglichem Gewichtsverlust kann Sport auch die Stimmung heben und die Gangsicherheit verbessern. © Ground Picture / Shutterstock.com

Neue Gewohnheiten

Sind die ersten Schritte zur Umsetzung in Richtung einer gesünderen Ernährungsweise und mehr Bewegung getan, ist bereits viel gewonnen. Allerdings wird das Durchhaltevermögen auf diesem Weg immer wieder auf eine harte Probe gestellt und das Risiko, in alte Verhaltens- und Ernährungsmuster zu verfallen, besteht. Wie wird man dem eigenen Schweinehund am besten Herr? „Wer früher schon Sport gemacht hat, der sollte wieder an seine alten Sportgewohnheiten anknüpfen“, rät Riedl, „denn sie haben ja bereits einmal Spaß gemacht. Verabredet man sich zudem mit anderen zu Aktivitäten, pflegt man gleichzeitig die soziale
Gemeinschaft. Das hilft wiederum dabei, neue Gewohnheiten beizubehalten.“ 

So kann es nicht nur gelingen, das Gewicht Schritt für Schritt zu reduzieren und besser zu halten, sondern damit auch die Stimmungslage zu heben, das Immunsystem zu stärken und die Gangsicherheit zu verbessern – letztere ist gerade im Alter ein gewichtiges Problem, da die Wahrscheinlichkeit für Stürze zunimmt. Die Erkenntnis, dass man sich aufgrund all dieser Maßnahmen wohler fühlt als vorher, ist besonders hilfreich – und ebnet den Weg für weitere Erfolge.

 

Text: Elke Jauk-Offner

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