Kein Limit per se

Vorerkrankungen sind per se keine wirkliche Einschränkung für ein Training im Alter, betont Stefan Fischerauer, Leiter der Sektion Sport-, Knorpel- und Gelenkchirurgie an der Grazer Univ.-Klinik für Orthopädie und Traumatologie. Freilich sollte das Programm individuell angepasst werden – und Abwechslung bieten.

Können altersbedingte Veränderungen im Körper durch Training beeinflusst werden?
Ja! Der biologische Alterungsprozess ist nicht nur genetisch veranlagt, sondern unterliegt auch dem Einfluss von vielen Umweltfaktoren. Ein gesunder Lebensstil, eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und der Verzicht auf Tabak und Alkohol können dazu beitragen die Alterung zu verlangsamen und das Auftreten von altersbedingten Krankheiten zu verringern. Die Förderung körperlicher Aktivität nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein. Zahlreiche klinische Studien konnten belegen, dass körperliche Aktivität auch im höheren Alter sehr wirkungsvoll ist, gerade wenn es um die Vorbeugung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates geht. Zudem können regelmäßige körperliche Aktivitäten das Krebsrisiko senken und dem Verlust kognitiver Funktionen, wie beispielsweise der Demenz, entgegenwirken.

Welche Maßnahmen sind da sinnvoll?
Allgemeine Empfehlungen haben sich lange vor allem auf den kardiovaskulären Bereich und damit auf ein Ausdauertraining gestützt. In den letzten Jahren hat sich ein Wandel vollzogen. Ein starker Fokus wird jetzt auf ein zusätzliches Krafttraining gelegt. Ein Muskelaufbautraining wirkt auf vielen verschiedenen Ebenen: Die Ausschüttung von Serotonin fördert das Wohlbefinden, die Belastung stärkt die Knochengesundheit, die verbesserte Insulinsensitivität senkt den Blutzuckerspiegel und die funktionelle Anpassung verringert das Sturzrisiko.

An welchen Hebeln setzt ein wirkungsvolles Training an?
Ein modernes Training wird diesen unterschiedlichen Ebenen gerecht. Ausdauer- und Krafttraining werden um Koordinationsübungen zur Schulung des Gleichgewichts und um Dehnungsübungen zur Förderung der Beweglichkeit erweitert. Immer wesentlich ist der Aspekt der Ernährung: Eine ausreichende Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen und ausreichend Flüssigkeit muss gewährleistet sein.

Was sollte dem Start zum Training vorangehen?
Vorab ist es von Bedeutung, zu unterstreichen, dass Vorerkrankungen per se keine wirkliche Einschränkung für ein Training sind. Das reicht von Krebs über Arthrose bis hin zu Diabetes. Bewegungsarmut wirkt sich ungünstig aus. Moderate Belastungen können meist bedenkenlos durchgeführt werden. Inwieweit jemandem eine intensive Belastung zuzumuten ist, muss freilich gerade bei instabilen Situationen zunächst ärztlich abgeklärt werden. Ist die Zielsetzung ambitioniert – einige Seniorinnen und Senioren haben durchaus auch noch Wettkampfansprüche – so sind vor Beginn der Belastungssteigerung auch Ruhe- und Belastungs-EKGs empfohlen, um Herz-Kreislauf-Risiken auszuschließen.

Wie sollte das Training konkret aussehen?
Um physiologisch Anpassungsmechanismen in Gang zu setzen, müssen die Aktivitätsreize über der Anforderung der Alltagsaktivität liegen. Für Personen über 65 Jahre sind 2,5 Stunden bis 5 Stunden pro Woche Ausdauertraining in mittlerer Intensität von der WHO empfohlen. Mittlere Intensität bedeutet, dass man sich währenddessen mit einem etwaigen Trainingspartner noch ohne Probleme unterhalten kann. Idealerweise erfolgt die Verteilung der Bewegungseinheiten auf mehrere Tage der Woche. Fühlt man sich wohl, so kann zunächst der Umfang und dann die Belastung gesteigert werden. Ist die Bewegungsintensität hoch, so genügen bereits Einheiten von 1,5 Stunden bis 2 Stunden pro Woche, um eine gesundheitsfördernde Wirkung zu erzielen. Muskelkräftigende Übungen sollten zusätzlich zwei- bis dreimal pro Woche auf dem Programm stehen.

Was ist im Fitnessstudio speziell zu beachten?
Safety first! Das Personal sollte für eventuelle Notfälle geschult sein, um im Ernstfall schnell eingreifen zu können. Bewegungsexperten können helfen schon im Vorfeld sichere Aktivitäten und Bewegungsumfänge festzulegen. Um Verletzungen zu Vermeiden, muss vor dem Krafttraining der Muskel aufgewärmt werden. Bestenfalls wird nicht nur eine einzelne Muskelgruppe trainiert, sondern stets mehrere, um eine Überbelastung zu vermeiden. Gerade für Patienten im höheren Alter erscheint eine funktionelle Trainingsform von Vorteil, da nebenbei auch die Koordination verbessert wird. Nach dem Training folgt eine Cool-Down-Phase. Um dem Körper ausreichend Zeit zur Regeneration zu geben, sollten Pausen von 48 Stunden zwischen den Krafttrainingseinheiten liegen.

Was ist noch wesentlich, damit die Motivation längerfristig besteht?
Im Training braucht es Abwechslung und Vielseitigkeit. Trainingsziele sollten klar formuliert werden. Als Kunde beziehungsweise Kundin eines Fitnessstudios kann man dann entsprechende Einheiten professionell planen und begleiten lassen. Hilfreich sind zudem Trainingspartner und Trainingsgruppen sowie individuelle Belohnungssysteme. Damit ist man bereits sehr gut aufgestellt. Denn man muss bedenken, das gerade einmal 20 Prozent aller Erwachsenen es überhaupt schaffen, die Bewegungsempfehlungen der WHO zu erfüllen. Immer gilt: Eine kleine Bewegung ist besser als gar keine Bewegung. Jeder Schritt ist wichtig. In vielen Fällen gelingt es dann praktisch von allein, die Motivation aufrecht zu erhalten, weil der Effekt am ganzen Körper spürbar wird.

Text von Elke Jauk-Offner
Bilder LKH-Univ. Klinikum Graz/Laura Schaffelhofer und shutterstock
Beitrag veröffentlicht am 03.09.2023