Marco von Münchhausen: Hier wird nicht gelogen!

Hört man den Namen „Münchhausen“, denkt man unweigerlich an den „Lügenbaron“. Noch heute gibt es rund 60 Münchhausens in Deutschland. Abenteuer Alter traf einen Nachfahren in – wie passend – München. 

D er Name Münchhausen muss für einiges herhalten: Er wird mit Lügen in Verbindung gebracht und signalisiert Achtung, wenn es um die Glaubwürdigkeit einer Aussage geht. Seit 2000 trägt ein Asteroid diesen Namen, ein sich drehender Brocken, vielleicht in der Größe einer Kanonenkugel, der einem darauf sitzenden Baron Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen bestimmt einen schönen Blick in den Weltraum gewährt hätte. Das mit dem Ritt auf der Kanonenkugel war ja gelogen, wie wir wissen, doch eines ist gesichert: Den Lügenbaron selbst hat es wirklich gegeben, der Name von Münchhausen lebt bis heute weiter. 

Ein Nachkomme heißt mit vollständigem Namen Dr. Marco Freiherr von Münchhausen. Er lebt in Florenz, wo die adelige Familie ein Anwesen besitzt, und in München, dort durfte Abenteuer Alter ihn besuchen. Der Titel Freiherr, so erklärt er im Gespräch, sei ererbt und dürfe in Deutschland zum Namen getragen werden, auch wenn dort wie in Österreich die Vorrechte und Titel des Adels abgeschafft wurden. Ein Freiherr sei anno dazumal dem Titel des Barons gleichgekommen, nur dass ein Freiherr von der Steuerpflicht befreit war, was heute leider nicht mehr gelte, erklärt Münchhausen und schmunzelt. Marco von Münchhausen ist kein direkter Nachkomme des 1797 verstorbenen „Lügenbarons“, denn der war kinderlos. Heute leben rund sechzig Münchhausens in Deutschland, die meisten südlich von Hannover, wo sich das Schloss Schwöbber befindet, in dem auch der Lügenbaron lebte. Marco von Münchhausens Großvater verkaufte es Anfang des 20. Jahrhunderts und erwarb das Anwesen in Florenz. Für den 1956 geborenen Nachkommen ist der Name selbstverständlich –„Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, ,Müller‘ zu heißen“ –, was er sich als Zehnjähriger mitunter gewünscht hätte. Nicht nur einmal sei er mit „roten Ohrwascheln“ dagestanden, als der Lehrer fragte, wo seine Kanonenkugel sei oder darauf hingewiesen hatte, dass jemand seines Namens es doch bitte mit der Wahrheit genauer nehmen sollte. Dabei war der „Lügenbaron“ von Münchhausen gar kein Lügner. 

Anno dazumal liebte man den Baron für seine Erzähl- und Fabulierkunst. Wie sich erst vor Kurzem herausgestellt hat, können lediglich drei Geschichten dem „Lügenbaron“ zugeschrieben werden, die jedoch von anderen Autoren niedergeschrieben wurden. So hat ein gewisser Graf Rochus Friedrich zu Lynar für seine Bediensteten zur Aufmunterung ein Büchlein geschrieben, in dem Geschichten des Lügenbarons enthalten waren. Zu Berühmtheit kam Münchhausen durch ein Buch mit Geschichten, das 1785 in Großbritannien erschien und ein Jahr später ins Deutsche übersetzt wurde, „Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande – Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen“. Darin sind die drei bekannten Erzählungen vom achtbeinigen Hasen, dem Ritt auf der Kanonenkugel und der Geschichte, wie sich der Baron am eigenen Schopf nebst Pferd, auf dem er sitzt, aus dem Sumpf zieht. 

„Lügenmärchen“ nur im Buchtitel
Marco von Münchhausen sieht sich hingegen der Wahrheit und den alten Werten seiner adeligen Herkunft verpflichtet: Respekt, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und ein positives Einwirken auf die Gesellschaft. „Meine Eltern haben mir beigebracht, dass alle Menschen gleich und wir nichts Besseres sind“, sagt er im Gespräch mit Abenteuer Alter. Er studierte Rechtswissenschaften, seine Doktorarbeit schrieb er über das Urheberrecht, kehrte „der Juristerei“ den Rücken und wurde Persönlichkeitstrainer und Lebenscoach, er schrieb zudem einige Sachbücher. Hier „entleiht“ er sich mitunter Überliefertes vom „Lügenbaron“: So tragen zwei seiner Bücher den Titel „Die sieben Lügenmärchen von der Arbeit“ oder „Das Münchhausen-Prinzip – Wie man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht“. Freilich sei das physikalisch nicht möglich, erklärt der Autor, hingegen aber psychologisch: Der Sumpf stehe für unsere Ängste, Sorgen, Bedrängnisse, unser Unwohlsein, in der Regel das, was wir selbst erzeugen. Sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen, sieht Marco von Münchhausen darin, Dinge anzunehmen, wie sie sind. Erst dadurch trete Entspannung ein, die wiederum zu Ideen und Lösungen führe. In seinen Büchern beschäftigt sich Marco von Münchhausen mit den Unwägbarkeiten des Lebens, er rät unter anderem, wie man mit dem innernen Schweinehund bestmöglich umgeht: Nicht bekämpfen, denn er ist Teil der Persönlichkeit; jeder Mensch habe innere Widerstände, es sei besser, sich den Schweinehund zum Verbündeten zu machen. Die „Salamitaktik“ zum Beispiel ist eine erfolgsversprechende Methode: Wer große Vorhaben scheibchenweise angeht, verringert die Gefahr, dass der innere Schweinehund querschießt. 

Beim Reden fließt da und dort ein bayrisches „Ja mei“ ein, Marco von Münchhausen erzählt gern und packend über seine Lebensthemen: Resilienz, innere Stabilität, ein ausbalanciertes und gutes Leben, zu dem bei ihm freilich Genuss und Müßiggang genauso gehören wie Zielstrebigkeit und Leistung. Zum Schreiben seiner Bücher nimmt er sich Auszeiten dort, wo es schön ist: in der Schweiz, auf einer griechischen Insel, an der Nordsee. „Zum Schreiben muss ich mich ausklinken“, sagt er. Auch wenn das Anwesen in Florenz, wo er rund ein Drittel seiner Zeit verbringt, schön sei, stünden dort immer Arbeiten an. Rund 120 Tage im Jahr sind mit Vorträgen, Seminaren und Coachings gefüllt, Schreib- und kreative Zeiten kommen hinzu.

Man muss sich nichts mehr beweisen
Der nunmehr 66-Jährige nimmt auch das Älterwerden recht gelassen. Der Druck sei nicht mehr da, etwas leisten zu müssen, sich selbst zu beweisen oder einen bestimmten Umsatz zu lukrieren, „das kann schon sehr entspannend sein“, sagt er. „Ich habe auch noch Reiseziele, möchte einmal nach Ägypten oder Machu Picchu. Doch wenn ich das nicht mehr erreiche, ist es auch nicht schlimm. Je weniger wir den Fokus in der Zukunft haben, desto mehr können wir entspannen.“ Mehr Freizeit ist dem 66-Jährigen heute wichtiger als eine prall gefüllte Arbeitswoche, an ein Aufhören denkt er dennoch nicht, vielleicht tritt er „so in zehn Jahren“ kürzer und verbringt dann mehr Zeit in Florenz. Arbeiten ist ein wichtiger Teil in seinem Leben, jetzt und auch künftig. „Vielleicht löse ich später mal den Gärtner in Florenz ab und mache das selbst.“

 

 

Hier können Sie das Gespräch nachhören:

 

Text von Oliver Zeisberger
Bilder von Hüttenhain
Beitrag veröffentlicht am 24. Februar 2023