Statt Karotten zu schälen, schnitzte sie daraus lieber Pfeile. Überhaupt war Renate Polz der Garten der Oma ziemlich egal. Doch im Leben kommt es oft anders. Heute hat sie den schönsten Garten in der Südsteiermark. Ein Besuch in Hochgrassnitzberg.
Der Ordnung halber müsste man sagen, dass es erst Liebe auf den zweiten Blick war. Denn als Mädchen und Jugendliche hatte Renate Polz mit Garten gar nichts am Hut. Sie erinnert sich noch, als sie gemeinsam mit ihrem Bruder aus den Karotten aus Omas Gemüsegarten „Pfitschepfeile“ geschnitzt hat, anstatt diese zu schälen, wie es eigentlich Auftrag gewesen wäre. Die Oma hatte so ziemlich alles im Garten angebaut – was auch zu verarbeiten war –, dazu das Dahlienbinden im Herbst, die junge Renate dachte sich nur: „Oh Gott, das ist ja nur Arbeit!“ Sie erinnert sich an die Hühner und Hasen, die ihre Großmutter gehalten hat, und an die Waschküche, wo Obst wie Gemüse verarbeitet und „eingerext“ wurde. Die Eier wurden zum Haltbarmachen in Kalkwasser gelegt, Ronen und Kartoffeln in Sand eingegraben, vieles wurde fermentiert. Altes und wertvolles Wissen, das Renate Polz damals nur wenig begeisterte.
Wie bei so vielen Gärtnerkarrieren mussten erst einmal Kinder kommen – oder gehen, wie es bei Renate Polz der Fall war. Als ihr Erstgeborener im Alter von nur einem Jahr an plötzlichem Kindstod verstarb, fand sie ihren Anker im Garten. Es war für sie damals mehr als nur eine Metapher, dass alles irgendwann alles wieder zu Erde werden würde. Seither ist Renate Polz fasziniert von den Vorgängen im Garten – wie alles wächst, nicht nur nach oben. Die Wurzel eines Rebstocks wächst etwa bis zu zwölf Meter in die Tiefe, manche Bäume verbinden sich unterirdisch über viele Kilometer. Das alles ist Seele und so fand Polz ihre Faszination für das Gärtnern.
„Einfach dem Bauchgefühl folgen, die Natur – zumindest im Garten – nimmt einem nicht viel übel.“
Wobei: Das musste natürlich erst einmal wachsen. Zu Beginn gärtnerte sie in Blumenkisterln, erst später kam das Anwesen in Hochgrassnitzberg in der südsteirischen Weinstraße, direkt an der slowenischen Grenze. Dieses Kleinod für Gärtnerinnen und Naturliebhaber hat sich Renate Polz über die letzten 30 Jahre selbst geschaffen, „Zimmer für Zimmer“, wie sie die eingegrenzten Themenbereiche im Garten nennt. Als dreifache Mutter – 1994 folgte ein Sohn und später zwei Töchter – war sie nicht berufstätig und hatte Zeit zum „Garteln“, später kam ein Gemüsegarten dazu. Was noch kam: Erinnerungen und Erzählungen an den legendären Garten und das Wissen der Großmutter. Die Mär vom „grünen Daumen“ teilt Renate Polz dabei nicht. Wer ein Gefühl oder Gespür für den Garten habe und sich an der Natur ausrichte, könne beim Garteln nicht viel falsch machen, ist sie überzeugt. „Einfach dem Bauchgefühl folgen, die Natur – zumindest im Garten – nimmt einem nicht viel übel.“ Die Perfektion sollte man lieber draußen lassen, „wenn man Freude an der Arbeit hat, gibt es auch kein Falsch“, betont Polz. Letztlich fließe die eigene Energie in den Garten – natürlich auch vice versa. Renate Polz ist überzeugt, dass die Behauptung, auch Pflanzen hätten Gefühle, längst nicht nur esoterische Meinung ist.
Ihr Südsteiermark Garten – ein Name, den sie sich rechtlich schützen hat lassen – entstand aus einer Weinkultur. Dieses Thema hat sie, selbst aus einer Weinbauernfamilie kommend, für ihren Garten beibehalten. Dieser erzählt Geschichten über die Vielfältigkeit der Böden und über die damalige Bau- und Gestaltungsweise: Gebaut und geschaffen wurde nur mit Material, das vor Ort war. Eines ihrer „Zimmer“ ist aus Muschelkalkstein, eines mediterran mit knorrigen Olivenbäumen, der schwerste wiegt 1,8 Tonnen. Im „Muschelkalksteinzimmer“ hat Renate Polz seltene Kräuter gepflanzt – Jerusalemsalbei etwa, der mit seinem Ribiselduft an die Sekundäraromen großartiger Weine erinnert -, Currykraut, Steinpilzthymian oder Kanarischer Lavendel. Es sind herrliche Gerüche und verschiedenste Grüntöne, die vor allem im Frühling riechen und leuchten. „Wenn ich Gartenführungen mache, lassen sich die Besucher meist im Kräutergarten nieder und es wird plötzlich ganz ruhig“, erzählt Renate Polz. Es gibt ein Areal mit Seerosenteich und Goldfischen sowie einem speziellen Gras, das das Wasser filtert und sauber hält. Das „Obegg-Zimmer“ ist in ein 17 Millionen Jahre altes Korallenriff gebaut, ein weiterer Kraftplatz im Südsteirischen Garten. Viele berührende Erlebnisse durfte die Gartenbesitzerin bei Führungen durch ihren Garten miterleben: Etwa als ein Mann seine Freundin, die an Lymphdrüsenkrebs litt und nur noch 38 Kilo wog, durch den Garten getragen hat. „Die beiden strahlten eine Zufriedenheit aus, das war gigantisch“, sagt Polz. „Mich erfüllt das mit Dankbarkeit, so einen Garten haben zu dürfen.“
„Die Oma hatte so ziemlich alles im Garten.“
Für ihren verstorbenen Sohn Walter hat Renate Polz 1990 eine Douglastanne gepflanzt, ein inzwischen mächtiger Baum. Für Sohn Lukas wurde eine Linde gesetzt, für Tochter Anne eine Hängebirke und Laura ist eine Blutpflaume gewidmet. Alle Bäume würden perfekt auf die Charaktereigenschaften der Kinder passen, erzählt Renate Polz. Mit dem Garten haben die Kinder übrigens genauso wenig am Hut wie die Mutter damals. Mit einer Ausnahme im Sommer: Da kocht die Mama auf und unter dem Lindenbaum gibt es einen langen Tisch, an dem Annas Geburtstag gefeiert wird. „Da komme ich mir vor wie eine italienische Mami.“
Renate Polz’ Garten ist privat und ohne öffentliche Unterstützung errichtet. Sie bietet dort Gartenführungen an, coronabedingt sind auch Einzelführungen möglich. Man kann sich im Garten von Renate Polz standesamtlich trauen lassen oder ihr angebotene Energiearbeit, Coaching und Aufstellungen in Anspruch nehmen.
Nähere Infos: http://www.polz-garten.at