Im Jahr 2050 werden laut Berechnungen rund 60 Prozent der Erwachsenen Übergewicht oder Adipositas aufweisen. Rund ein Viertel davon wird über 65 Jahre alt sein. Das hat eine neue Studie für 204 Staaten und Regionen ergeben, die auch Österreich umfasst. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Emmanuela Gakidou, Hauptinitiatorin der Studie vom Institute for Health Metrics and Evaluation der US-Universität Washington, spricht von einer „beispiellosen globalen Epidemie“.
Erschreckende Tendenz
Die Menschen werden weltweit also immer dicker. Gleichzeitig ist falsche Ernährung die Wurzel vieler Erkrankungen. Dennoch wird das Thema Ernährungstherapie nach wie vor vielfach ausgeblendet, genau hier setzt Ernährungsmediziner Matthias Riedl an. Denn: „Gesundes Essen wirkt wie Medizin“, lässt er keinen Zweifel daran, dass man mit einer entsprechenden Ernährungsweise Krankheiten aktiv vorbeugen, lindern und sogar heilen kann. Der renommierte Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie und Ernährungsmedizin leitet als ärztlicher Direktor das von ihm 2008 gegründete medizinische Versorgungszentrum Medicum Hamburg. Es gilt als Europas größtes Zentrum für Ernährungsmedizin und Diabetologie.
Einem Millionenpublikum ist Matthias Riedl seit 2013 aus der NDR-Sendereihe „Die Ernährungs-Docs“ bekannt, die Möglichkeiten der Ernährungstherapie an konkreten Patientenfällen verdeutlicht. Ob Zuckerkrankheit, Migräne oder eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung: Die Ernährungs-Docs helfen mit Essen als Medizin. Im Rahmen der Sendung begleiten Experten Menschen mit ganz unterschiedlichen gesundheitlichen Problemstellungen dabei, durch eine gezielte Ernährungsumstellung gesünder zu werden.

Du bist was du isst
Gemeinsam mit seinem Team im Medicum Hamburg hat Matthias Riedl auch das 20:80-Prinzip entwickelt. Es ist eine Formel, um Verhaltensweisen nach einer individuellen Fehleranalyse gezielt und nachhaltig zu ändern. Mit 20 Prozent Ernährungsoptimierung sollen 80 Prozent des gewünschten Effekts erzielt werden: „Das 20:80-Prinzip zeigt, dass nur 20 Prozent Ernährungsoptimierung nötig ist, um langfristig und nachhaltig Gewicht zu reduzieren, den Blutdruck zu normalisieren und den Cholesterinspiegel zu senken“, unterstreicht der Facharzt. Auf dieser Methode basiert auch die von Riedl entwickelte Gesundheits-App „myFoodDoctor“. Die über 20-jährige Erfahrung als Mediziner fließt zudem in die Ernährungsratgeber ein, mit denen er informativ und alltagstauglich über die Vorteile gesunder Ernährung aufklären will. In seinem Podcast „So geht gesunde Ernährung“ räumt er mit Mythen rund um das Essen auf.

Länger gesund leben
Von der bloßen Heilung von Krankheiten hin zur möglichst langen Erhaltung der Gesundheit vollzieht sich derzeit ein regelrechter Paradigmenwechsel. Immer häufiger ist dabei von „Longevity“ die Rede. Langlebigkeit – das meint, sich körperliche und geistige Fitness möglichst lange zu bewahren. In Amerika hat sich das Streben danach bereits zu einer regelrechten Bewegung entwickelt. Während wir unsere genetischen Voraussetzungen als gegeben akzeptieren müssen, können wir mit unseren Lebensgewohnheiten einen Einfluss auf den Alterungsprozess nehmen. Auch Matthias Riedl nimmt sich dieses Themas an: „80 wird das neue 50 sein – visionäre Forscher tüfteln intensiv an der Frage, wie sich das Beste aus dem Alter herausholen lässt. Doch die Erkenntnisse der Longevity-Medizin wirken auf die meisten teuer, kompliziert und alltagsfern“, heißt es zu seinem Werk „Die Longevity Food-Formel – Die richtige Ernährung als Erfolgsfaktor für ein langes und gesundes Leben“. Basierend auf jüngsten Studien präsentiert er die Schlüsselfaktoren wie erhöhte Eiweißzufuhr, Zuckerreduktion, ein intaktes Mikrobiom und moderates Fasten.

Klüger essen
So ungern es alle hören: Falsche Ernährung macht krank. Aber was macht gesunde Ernährung aus? Welche Lebensmittel fit halten und helfen, Diabetes Typ 2 zu heilen und Blutzuckerschwankungen bei Typ 1 zu reduzieren, darauf legt Matthias Riedl den Fokus in seinem Expertenkochbuch „Heilen Sie Ihren Diabetes“. Er legt das Augenmerk auch auf den von ihm geprägten Begriff der „artgerechten“ Ernährung – eine dem Ausmaß der körperlichen Bewegung angepasste Dosierung von Kohlenhydraten, eine gewichtsadaptierte Dosierung von Eiweiß sowie eine gemüse- und nussreiche Ernährung. Das Konzept setzt er nicht nur zur Behandlung von Adipositas, sondern auch Diabetes Typ 2 ein und stellt sich damit in Teilen gegen die seiner Auffassung nach zu kohlenhydratlastigen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Deutschen Diabetesgesellschaft. Er ist damit einer der Kritiker einer zu frühen Insulintherapie – sie führe zu einer Spirale aus Gewichtszunahme und weiteren Insulin-Dosissteigerungen.
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Text: Elke Jauk-Offner