Dr. Matthias Riedl – Diabetes Heilen

Das Risiko an Diabetes Typ 2 zu erkranken, steigt mit dem Alter deutlich. Eine Änderung ungesunder Lebensgewohnheiten kann nicht nur einer Erkrankung vorbeugen, sondern in rund 80 Prozent eine Heilung ermöglichen, betont Ernährungsmediziner Matthias Riedl. 

Am Bild ist Dr. Matthias Riedl, Ernährungs-Doc zu sehen.
Dr. Matthias Riedl, Facharzt und Ernährungs-Doc im TV, klärt im Interview mit „Abenteuer Alter“ über Diabetes 2 und die Ernährung auf. © Andreas Sibler

In Österreich leben rund 800.000 Menschen mit Diabetes, damit leidet jeder oder jede Zehnte daran. Zumindest ein Drittel der Betroffenen weiß allerdings nichts davon. Die Statistik führt die Dimension vor Augen: Alle 50 Minuten stirbt laut der Österreichischen Diabetes Gesellschaft ein Mensch an den Folgen von Diabetes. Das sind 10.000 Menschen im Jahr – und damit sind es jährlich mehr Todesfälle als durch Darm- oder Brustkrebs. Auch im Straßenverkehr versterben wesentlich weniger Personen.  

Am Foto sind Linsen, Erbsen, Bohnen und diverse weitere Saaten zu sehen.
Gemüse und Hülsenfrüchte liefern wichtige Inhaltsstoffe und sind hervorragende Waffen gegen den Diabetes. © nadianb / Shutterstock.com

Rund 90 Prozent aller Erkrankten leiden an Typ 2 Diabetes. Vor allem in der Altersgruppe über 65 Jahre steigt das Risiko dafür deutlich. Eine frühe Diagnose ist deswegen so wichtig, weil Diabetes Typ 2 über lange Zeit keine Symptome macht. Die Krankheit führt aber zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlag­anfall, Nierenversagen, Erblindung oder Nervenschädigungen. Das Erkrankungsrisiko wirkt zudem über Generationen. Die genetische Belastung, erklärt Ernährungsmediziner Matthias Riedl, ist global gesehen in Regionen mit Mangelernährung am größten. „War die Mutter in der Schwangerschaft einem Mangel ausgesetzt, so tut sich aber auch ein sogenanntes epigenetisches Risiko auf.“ 

Eine umso gewichtigere Rolle kommt der Prävention zu – gerade durch einen gesunden Lebensstil kann man Diabetes Typ 2 aktiv vorbeugen. Der westliche Ernährungsstil mit dem Konsum von einem hohen Maß an Zucker, wenig Gemüse und vielen hochverarbeiteten Produkten in Kombination mit einem Mangel an Bewegung wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus, gibt Riedl zu bedenken. Dabei gelte es vor allem an diesem Punkt anzusetzen, um einer Erkrankung entgegenzuwirken, sie zu lindern oder überhaupt zu heilen.

Alleskönner Gemüse

Die Diagnose bedeutet zunächst einen emotionalen Ausnahmezustand. „Diabetes Typ 2 ist aber in rund 80 Prozent der Fälle heilbar.  In erster Linie durch die richtige Ernährung, in zweiter Linie durch regelmäßige Bewegung, Sport und Muskelaufbau. Je früher wir es erkennen, desto besser sind die Chancen“, betont der Mediziner. Als einen der wesentlichen Hebel in der Ernährung führt er den Gemüsekonsum an. „Von einer diabeteshemmenden Wirkung wissen wir insbesondere bei Hülsenfrüchten. Dieser Effekt wird durch einen viel zu geringen Gemüseanteil auf unserem Speiseplan allerdings nicht ausgeschöpft.“ Dahingegen sind unsere täglichen Menüs häufig reich an Kohlenhydraten und tierischen Fetten. Fertigprodukte liefern dem Körper zudem nicht das, was er braucht – sie sind nahezu frei von Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen, die so wichtig für die Darmflora sind. 

Die Folgen: Fruktose begünstigt Fettablagerungen in der Leber, sogenanntes Viszeralfett legt sich im Bauch um innere Organe. Es schädigt Blutgefäße und wirkt sich ungünstig auf den Blutzuckerspiegel aus. Pflanzliche und ballaststoffreiche Lebensmittel, auch Vollkornprodukte, können die Darmflora und den Blutzuckerspiegel dagegen stabilisieren. Eine Grundregel der von Dr. Riedl propagierten „artgerechten“ Ernährung lautet: Der halbe Teller muss voller Gemüse sein.

Am Foto ist Dr. Matthias Riedl zu sehen.
Von der Vorstufe der Diabetes, der Prädiabetes sind rund fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung betroffen. © Andreas Sibler

Rhythmus einhalten

Darüber hinaus ist ein strukturierter Tagesablauf nicht zu unterschätzen. „Tatsächlich ist es so, dass sowohl die Darmflora als auch der Stoffwechsel und der Schlaf von einem regelmäßigen Rhythmus profitieren“, unterstreicht Riedl. Ist beispielsweise die Schlafqualität schlecht, werden im Körper Stresshormone ausgeschüttet, was sich wiederum negativ auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Ein weiterer bedeutsamer Aspekt ist der Muskelaufbau. „Die Muskulatur ist der Feind des Fettgewebes. Während Fettgewebe im Bauch das Diabetesrisiko erhöht, kann die Muskulatur es senken.“ Denn durch regelmäßiges Krafttraining werden die Muskeln beansprucht, so kann mehr Glukose in den Zellen aufgenommen werden und der Blutzuckerspiegel sinkt.

Diabetes Typ 2 beginnt nicht erst mit der Diagnose. Von der Vorstufe Prädiabetes sind rund fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung betroffen, sie macht sich bereits durch einen höheren Blutzuckerspiegel bemerkbar. Häufiger ist diese Vorstufe bei Personen mit Übergewicht, erhöhten Blutfetten und Bluthochdruck zu finden. Die Bestimmung des Langzeit-Zuckerwertes HbA1c kann Aufschluss darüber geben. Hohe Hba1c-Werte entstehen durch zu hohe Glukosewerte im Blut über einen längeren Zeitraum, Hba1c wird daher auch als sogenanntes „Blutzuckergedächtnis“ bezeichnet. „Jeder, der Familienangehörige mit Diabetes hat, sollte den Nüchternblutzucker und den Langzeitwert HbA1c ein- bis zweimal jährlich testen lassen. Steigen die Werte langsam, aber sukzessive, so erhöht sich das Diabetes-Risiko, selbst wenn sich die Werte noch im Normbereich befinden. Die Tendenz ist wesentlich“, sagt Riedl.

Am Foto sind verschiedene Gemüsesorten zu sehen.
Ein gut überlegter Weg zur Lebensstiländerung mit festgelegten Prioritäten ist bereits der erste Schritt in die richtige Richtung. © Framarzo / Shutterstock.com

Nichts überstürzen

Der beste Zeitpunkt, seinen Lebensstil und seine Ernährung zu ändern, ist: jetzt. Riedl rät jedoch nicht zu überstürzten Ambitionen: „Man sol­l­­­te nicht versuchen, alles auf einmal zu verändern oder eine Radikaldiät zu machen. Wenn man sehr viel Zucker zu sich nimmt, kümmert man sich zuerst einmal darum. Wenn man viel zu wenig Gemüse isst, setzt man anfangs in diesem Bereich an.“ Noch immer gilt es, viel Aufklärung zu leisten: „Wir laufen der Prävention hinterher. Wir essen uns krank. Es gibt derzeit an die 100 Erkrankungen, die durch falsche Ernährung entstehen – allen voran Diabetes Typ 2.“ Mit diesem Wissen sollte man die kommenden Mahlzeiten auf dem persönlichen Speiseplan kritisch betrachten.

Text: Elke Jauk-Offner

Foto: © Andreas Sibler; nadianb / Shutterstock.com; Framarzo / Shutterstock.com