Stricken: von wegen altbacken!

Stricken hat viele Vorteile – es entspannt, ist nachweislich gut für die mentale und körperliche Gesundheit, an keinen Ort gebunden und stärkt das Selbstvertrauen. Und es hat eine jahrtausendealte spannende Tradition!

Die Geschichte des Strickens

Über den genauen Entstehungszeitraum des Strickens ist sich die Wissenschaft nicht einig. Manche vermuten, dass man bereits um 4000 v. Chr. im asiatischen Bereich begann, mit Nadeln Wollsocken anzufertigen, andere sind der Meinung, dass die alten Griechen und Römer das Stricken erfanden. Tatsächlich sind aus der Zeit um 300 v. Chr. strickartige Fragmente aus Wolle erhalten. Es gibt jedoch noch andere Theorien: Laut Archäolog:innen fertigten im 3. bis 5. Jahrhundert die Kopten, eine in Ägypten ansässige religiöse Gemeinschaft, gestrickte Wollsocken an. Auch in der Zeit des Frühmittelalters sehen viele Expter:innen den Beginn des Strickens. Heute wissen wir: All diese ganz frühen Fundstücke lassen sich vermutlich eher der Technik des Nadelbindens – sozusagen eine Vorform des Strickens – zuordnen.

Eine genaue Einordnung der frühen Entstehung des Strickens scheitert also an mangelnden und vor allem einwandfrei zuordenbaren Artefakten. Als wirklich gesichert gilt jedoch, dass das Stricken um 1270 als gewerbliches Handwerk in Europa betrieben wurde – 1268 wird zum ersten Mal das gewerbliche Stricken in Paris in Form der Gilde der Pariser Stricker erwähnt. Ab dem 14. Jahrhundert gibt es immer mehr Belege von Handwerkerzünften in ganz Europa. Spätestens aus der Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts sind dann auch eindeutige Funde von Gestricktem aus dem gesamten europäischen Raum erhalten.

In den Kriegen im 19. und 20. Jahrhundert strickten vor allem die zuhause gebliebenen Frauen wärmende Kleidung und verdienten sich damit einen Lebensunterhalt. Mit der zunehmenden Industrialisierung wurde das Stricken schließlich von Maschinen übernommen – und die Handarbeit geriet in den Hintergrund. Seit einigen Jahren jedoch erlebt das Stricken als Hobby eine Wiedergeburt: Gerade in Zeiten von Massenproduktion und Schnelllebigkeit etabliert sich die Handwerkskunst als Instrument der individuellen Selbstverwirklichung und Distanzierung zur Vereinheitlichung der Masse.

Auf zur Nadel, fertig los…

Es gibt zahllose Gründe, warum Stricken ein tolles Hobby ist und wieder voll im Trend liegt.

  • Entspannung

    Stricken hilft dabei, sich zu entspannen, da die gesamte Aufmerksamkeit auf eine Tätigkeit gerichtet ist. Die immer gleichbleibenden Bewegungen haben etwas Meditatives an sich. Verschiedene Studien belegen, dass Stricken ähnlich erholsam wie Meditation oder Yoga ist. Das Harvard Medical Institut etwa fand vor einigen Jahren heraus, dass Stricken zu einem „vollkommenen Entspannungszustand“ führt.

  • Gesundheit

    Da Gedanken nicht mehr um Ängste und Probleme kreisen können, versetzt die Tätigkeit des Strickens den Körper in einen gesunden Ruhezustand aus dem zahlreiche Vorteile für die mentale und physische Gesundheit resultieren.

    • Gerade in stressigen oder belastenden Zeiten kann Stricken den Blutdruck und Puls signifikant senken und beugt somit beispielsweise Herzerkrankungen vor.
    • Eine Studie der Washington Post zeigt, dass 81% der Betroffenen nach dem Stricken glücklicher waren als vorher. Beim Stricken wird das Gehirn stimuliert, beruhigendes Serotonin ausgeschüttet und Indikatoren von Angstzuständen oder einer Depression können gelindert werden.
    • Stricken trainiert das Gehirn indem es beide Hirnhälften beansprucht, außerdem werden Konzentrationsfähigkeit und Entscheidungsfreudigkeit gestärkt. In den USA fand man heraus, dass regelmäßiges Stricken und Häkeln über Jahre hinweg das Risiko, mit (Alzheimer-)Demenz konfrontiert zu werden, mindert.
  • Selbstvertrauen

    Stricken bietet die Möglichkeit, individuell zu gestalten und der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen. In der Wahl der verschiedensten Farben, Wollstärken, Strickmuster und Design ist man frei. Ob Hauben, Handschuhe, Socken, Pullover oder Accessoires – auch hierbei sind keine Grenzen gesetzt. Der Aspekt der individuellen Selbstverwirklichung ist ein wichtiger, auch der Prozess, auf ein Ziel hinzuarbeiten und danach das fertige Ergebnis in den Händen zu halten, macht stolz und stärkt das Selbstbewusstsein.

  • Gemeinschaft

    • Stricken führt Gleichgesinnte zusammen und stärkt die Gemeinschaft. Es gibt Foren und Plattformen, um sich mit Strickkolleg:innen auszutauschen, auch in Strickkursen trifft man verschiedenste Menschen, die alle ein gemeinsames Hobby teilen. Es macht Spaß, sich auszutauschen und von anderen dazuzulernen.
    • Eine besondere Möglichkeit, die Gemeinschaft zu leben, sind sogenannte “Strickpartys”. Es gibt Stoff- und Wolläden, die Räumlichkeiten für solche Events zur Verfügung stellen oder wöchentliche Treffen anbieten.
    • Handgemachte Geschenke erfreuen außerdem Freund:innen und Familie. Wer sich die Mühe macht, mit Zeit und Aufwand selbst ein besonderes Geschenk zu stricken, kann den Beschenkten ganz individuell Freude machen.
  • Niederschwellig

    Ein großer Vorteil des Strickens ist, dass es weder an einen Ort noch an einen bestimmten zeitlichen Rahmen gebunden ist. 2 Nadeln und ein Wollknäuel reichen – und schon kann man überall und immer loslegen. Ob abends vor dem Fernseher, im Wartezimmer beim Arzt oder schnell in den Öffis – Stricken ist unkompliziert und vor allem relativ kostengünstig möglich.

Beitrag veröffentlicht am 27. Oktober 2022
von Karolina Wiener