Was Ehen gut tut und was Gift für Beziehungen ist

In guten wie in schlechten Zeiten! Damit die rosarote Brille nicht schwindet und das Herz weiterhin Luftsprünge macht – Paartherapeutin Monika Wogrolly klärt auf!
Was sind die Grundvoraussetzungen dafür, dass eine Ehe über Jahrzehnte halten und glücklich sein kann?
Wogrolly: Das hängt natürlich von zahlreichen Kriterien ab. Wichtig ist, dass es eine ganz bewusste Entscheidung des Ehepaares ist, gemeinsam durchs Leben zu gehen und Verantwortung füreinander zu übernehmen. Und dass sie dabei grundsätzlich in eine Richtung schauen, ähnliche Werte und eine ähnliche Lebensphilosophie verfolgen. Wenn das weitgehend passt, ist schon einmal eine sehr gute Basis gegeben.

Aber Menschen verändern sich über die Jahrzehnte, es kehrt der Alltagstrott ein. Oft ist es dann das klassische „Auseinanderleben“, das Ehen scheitern lässt. Wie wirkt man da dagegen?
Natürlich besteht dieses Risiko, dass die anfängliche Neugierde, das Interesse, das Brennen für den anderen mit den Jahren nachlässt – aber nur, wenn man es einschlafen lässt. Das heißt, Beziehung ist ein Prozess, an dem man arbeiten und in welchem man achtsam, wachsam und kreativ bleiben muss. Wenn man das übersieht, riskiert man, dass es eines Tages ein böses Erwachen gibt.

Was heißt „wachsam bleiben und an der Beziehung arbeiten“ konkret?
Dass man sich zum Beispiel eine sogenannte unverplante „Paarzeit“ gönnt – unabhängig von Kindern oder stressigem Beruf. Denn grundsätzlich lässt die Dauer einer Beziehung das Interesse ja nicht abflachen. Vor allem dann nicht, wenn man einander immer wieder positiv überrascht, aufmerksam und respektvoll bleibt, sich gemeinsame Zeit ganz bewusst nimmt und das mit positiven Routinen, Ritualen, aber auch mit Spontaneität festigt. Nach etwa fünf Jahren brauchen Menschen aktuellen Studien zufolge erwiesenermaßen neue Reize – in der Beziehung wie im Beruf. Das heißt aber nicht, dass man sich gleich einen neuen Partner suchen soll, sondern dass man beispielsweise schaut, was man gemeinsam Neues machen könnte. Einfach einmal spontan und kreativ sein, das kann die Beziehung wunderbar frisch halten. Es ist wie in einem Garten: Man muss immer mit Motivation und Wohlwollen daran arbeiten, damit es blüht und gedeiht – lässt man das schleifen, verwildert es oder liegt es irgendwann alles brach.

Ist die Ehe für die Qualität einer Beziehung ausschlaggebend?
Wenn Verliebtheit und Romantik die Motive sind, kann das Eheritual, dieses besondere Gelübde, ein durchaus tragendes Fundament für die Beziehung sein. Verheiratete Paare überlegen sich dann auch doppelt und dreifach, dieses gemeinsame Projekt  nach all dem Gefühls- und Zeitinvestment und angesichts des gemeinsamen Lebensplans wieder aufzugeben.

Nicht selten hört man von Eheleuten, dass die Beziehung mit den vielen Jahren sogar besser wird. Was ist da das Geheimnis?
Das ist absolut möglich! Wenn man vieles gemeinsam hinter sich gebracht hat, Höhen und Tiefen, und wenn Krisen gemeinsam gemeistert wurden, dann stärkt und verbindet das gewaltig. Man weiß, dass man einander vertrauen kann, und dass man sich fallen lassen kann – das macht dann eine Beziehung besonders stabil, erfüllend und qualitätsvoll. Aus dem Pflänzchen der Verliebtheit ist ein tief und gut verwurzelter Baum geworden. Das Paar ruht in sich und ist sich sicher – das ist natürlich wunderbar.

Was ist Gift für eine Ehe?
Da gibt es meinem Kollegen John Gottman zufolge die sogenannten „apokalyptischen Reiter“. Das sind Kommunikationsmuster, die absolute Warnsignale und buchstäblich tödlich für eine Beziehung oder Ehe sind. (siehe Infobox) Etwa: Wenn eine Person schon die Mundwinkel herunterzieht und die Augen verdreht, wenn ihr Partner oder ihre Partnerin den Raum betritt. Wenn „gemauert“ wird, also wenn man selbst auf konstruktive Kritik gar nicht mehr eingeht und sie einfach abprallen lässt. Wenn man laufend genervt vom anderen ist und ihn dauernd auf vernichtende Art und Weise kritisiert. Oder wenn überhaupt nur mehr geschwiegen wird. Ganz besonders schlimm: den Partner in der Öffentlichkeit, etwa in einer Freundesrunde, schlecht oder sich über ihn lustig machen.

Und was ist so etwas wie Balsam für eine gute, langjährige Ehe?
Gegenseitiger Respekt, Neugierde und Interesse füreinander. Und Vertrauen ist überhaupt das kostbarste Geschenk, das man einander machen kann, das Fundament einer Beziehung. Wenn man sich sicher sein kann, mein Partner tut nichts, was mir schaden würde, dann kann man sich fallen lassen. Dann ist eine Beziehung erfüllend! 

Wann ist eigentlich eine Paartherapie ratsam?
Immer! Ich empfehle, selbst wenn Beziehungen noch ganz frisch sind, sich zum besseren Kennenlernen ein paar Stunden zu nehmen, um mit einer neutralen professionellen dritten Person Unklares abzuklären oder Altlasten aus vorigen Beziehungen aufzulösen. Es muss nicht immer erst „der Hut brennen“, bis man sich Hilfe holt. Es ist immer lohnend, sich beraten, unterstützen oder von einer auf Paartherapie spezialisierten Expertin helfen zu lassen, wenn es etwas zu deeskalieren gibt. Und es wirkt wie ein Booster für das Liebesleben, wenn man mithilfe eines Therapeuten wie mit einer Lupe auf den Alltag schaut und neue Gestaltungsmöglichkeiten erkennt. Mittlerweile funktioniert Paartherapie ja auch online bereits sehr gut.

Wie findet man Paartherapeuten?
Monika Wogrolly:
www.wogrollymonika.at

Eine Auswahl findet sich auf:
www.psyonline.at

Text von Johanna Vucak
Bilder von Jungwirth und shutterstock
Beitrag veröffentlicht am 18.04.2023

Unsere Ehe wird mit dem Alter immer schöner!

„Als wäre es gestern gewesen“, schüttelt Anna Maria Haiden fast ungläubig den Kopf, als sie auf das Hochzeitsfoto in ihren Händen blickt. Während ihr Ehemann Erwin ihr liebevoll in die Augen schaut und meint: „Man glaubt es einfach nicht, dass es schon 50 Jahre her ist, seit wir geheiratet haben.“ Tatsächlich aber haben die pensionierten Wirtsleute im vergangenen Herbst ihre „Goldene“ gefeiert.

An den Tag im Jahr 1972, an dem sie einander das Jawort gegeben haben, erinnern sich die beiden noch ganz genau. „Es war eine absolute Liebesheirat, um die wir sehr kämpfen mussten“, nennt Erwin eines der Geheimnisse, warum ihre Ehe nun schon ein halbes Jahrhundert hält. Anna Maria war nämlich gerade einmal 15 Jahre, als ihr Augenzwinkern dem um fünf Jahre älteren Schneiderlehrling in Wundschuh den Kopf verdrehte. „Sie hat mich schon ein bisschen umworben“, schmunzelt der rüstige Pensionist. Aber: „Natürlich ist sie mir auch aufgefallen – sie war ein sehr hübsches Mädl.“ Bei diesen Komplimenten gerät dann auch Anna Maria, die im Juli 70 wird, ins Schwärmen: „Er war ein sehr fescher, dunkler Typ. Und so braun gebrannt! Das hat mir einfach gefallen.“ Weniger gefallen hat das jedoch den Eltern der künftigen Braut, die Wind von der Leidenschaft der Tochter bekommen und das Gspusi umgehend beendet haben. Anna Maria musste zurück ins elterliche Wirtshaus nach Bad Gleichenberg und Erwin zum Bundesheer. Die beiden  zehrten zwar noch einige Zeit von den vielen Liebesbriefen, die Anna Maria ihrem Erwin geschrieben hat, und von der Erinnerung ans Fensterln, bald aber herrschte Funkstille.
Aber nachdem wahre Liebe bekanntlich nicht erlischt, kam es nach etwa zwei Jahren bei einem Ball in Wundschuh zum erneuen Aufflammen der Leidenschaft – und diesmal sollte es für immer sein. „Ihre Eltern haben das Gasthaus dort geführt. Sie hat am Ball gearbeitet, ich war Gast und wurde damals gerade von einer anderen sehr umschwärmt. Aber Anna Maria war einfach meine Favoritin“, kann sich Erwin noch ganz genau an den alles entscheidenden Abend erinnern.

Nach Abschluss von Lehre und Schule war der Weg dann frei für die Hochzeit und Erwin hielt bei Anna Marias Eltern um die Hand ihrer Tochter an: „Ich bin nach Bad Gleichenberg gefahren und habe mir die Erlaubnis geholt – und sie auch bekommen.“ Geheiratet wurde dann am 12. Juli 1972 in einer Doppelhochzeit. „Mein Bruder ist gleichzeitig mit seiner Frau an den Traualtar getreten“, erinnert sich Anna Maria zurück. Wie auch an die Geschichte mit dem Brautstrauß: „Der erste ist auf dem Friedhof gelandet, weil meine Schwiegermutter ihren Sohn rügte und meinte, ‚mit so etwas kannst du nicht heiraten‘. Mein künftiger Mann ist daraufhin nach Graz gefahren und hat einen neuen Strauß besorgt  – wunderschöne Orchideen waren es“, erzählt Anna Maria und zeigt Fotos von Hochzeit und Hochzeitsreise. Diese hat die beiden mit ihrem schnittigen Opel Rekord Coupé, rot mit schwarzem Dach, nach Tirol geführt.

Im Jänner 1973 haben die beiden dann das Gasthaus in Wundschuh übernommen und es bis 2010 mit großem Erfolg und viel Leidenschaft geführt: „Jetzt ist dort unser Sohn Erwin der Chef und wir springen nur mehr ein, wenn es ganz notwendig ist“, erzählen die beiden, die auch eine Tochter und insgesamt vier Enkelkinder haben, voller Stolz.

Nach dem Rezept für 50 glückliche Ehejahre gefragt, schießt es unisono aus den beiden: „Zusammenhalten und zusammenraufen!“ Und Erwin setzt nach: „Das war früher so, als alles noch mechanisch war, da hat man repariert, wenn etwas nicht in Ordnung war. Heute ist alles elektronisch – wenn es fertiggefahren ist, schmeißt man es weg!“

Ans Wegschmeißen ihrer Ehe haben die beiden übrigens in keiner Sekunde gedacht: „Wir haben die Tiefen einfach gemeinsam durchtaucht. Das schweißt zusammen. Und an Streitereien scheitert eine Ehe sowieso nicht. Die hat es natürlich gegeben, aber das sind ja harmlose Alltagsdinge und Bagatellen, davon zerbricht eine Ehe doch nicht.“  Und Erwin betont noch einmal die Basis für das lange Eheglück: „Es war eine absolute Liebeshochzeit. Wir mussten sehr darum kämpfen!“

Dass man heute so schnell und häufig wieder auseinandergeht, sehen die beiden als ein generelles Zeichen der Zeit: „Es wird heute einfach alles leichter gemacht und leichter genommen – das Zusammenziehen, das Trennen, das Aufgeben von Dingen. Da dachte man früher konservativer und man hat sich alles mehr erarbeiten und erkämpfen müssen – dann gibt man es auch nicht so einfach wieder auf!“

Der Urlaub war damals beispielsweise so eine erkämpfte Sache. „Wir mussten  uns die Zeit dafür fast stehlen. Dafür haben wir uns dann aber auch dreimal mehr gefreut“, erzählt Anna Maria und erinnert sich, wie sehr sie dann stets einige gemeinsame Tage genossen haben. Das machen die beiden übrigens auch heute noch: „Zur Goldenen haben wir wieder eine Hochzeitsreise gemacht – wir waren mit dem Auto in Dänemark“, verrät Anna Maria. Und Erwin lacht: „Diesmal war es ein VW T-Rock, in Curcuma Gelb.“ Reisen ist übrigens eine der großen Leidenschaften, mit der die beiden auch immer wieder frischen Wind in ihre Beziehung bringen: „Belgien, Holland, Luxemburg, die Ostsee wurden bereist.  Heuer wollen wir nach Frankreich fahren. Aber jetzt geht es einmal auf die Schipiste nach Flachau“, geben die beiden Einblick in ihr aktives und harmonisches Eheleben. „Und das wird mit dem Alter immer schöner“, sind sich die beiden einig und freuen sich deshalb schon auf die Diamantene!

Text von Johanna Vucak
Bilder Archiv Haiden
Beitrag veröffentlicht am 04.04.2023