Interview: „Wir lassen in der Steiermark niemanden zurück.“

Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang und Soziallandesrätin Doris Kampus im Abenteuer Alter-Interview über die Teuerung, den Steiermark Bonus und warum Zusammenhalt gerade jetzt wichtig ist.

Frau Landesrätin, Herr Landeshauptmann-Stellvertreter, die Teuerung ist seit einiger Zeit das große Thema, das die Menschen in der Steiermark bewegt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

DORIS KAMPUS: Wir erleben es jeden Tag, dass das Leben in fast allen Bereichen teurer geworden ist. Von den Lebensmitteln über das Tanken bis zu den Energiepreisen. Den Steirerinnen und Steirern bleibt weniger in der Geldbörse. Das trifft alle Menschen, aber Menschen mit geringerem Einkommen besonders. Dazu kommt, dass sich die allermeisten von uns gar nicht mehr an eine solche Situation erinnern. Zum letzten Mal war die Inflation vor 50 Jahren so hoch. Das macht vielen Menschen verständlicherweise Sorgen, und sie fragen sich: Kann ich mir das oder das noch leisten? Wie kann ich Strom oder Heizöl sparen? Diese Sorgen höre ich auch immer wieder bei meinen Sozialsprechstunden in den steirischen Regionen.

ANTON LANG: Als Sozialdemokratie können und werden wir es nicht hinnehmen, dass sich immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten können. Mittlerweile spüren rund 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die Teuerungswelle. Wir sehen, dass gerade zahlreiche Pensionistinnen und Pensionisten besonders betroffen sind. Noch dazu haben sie keine Möglichkeit ihre Situation von alleine zu verbessern. Daher haben wir bereits am 1. Mai eine vorgezogene Pensionserhöhung gefordert, denn für mich ist klar, dass wir unsere älteren Mitmenschen, die ihr Leben lang viel für unser Land geleistet haben, jetzt nicht im Stich lassen dürfen.

Welche politischen Konsequenzen haben Sie aus dieser Entwicklung gezogen? Es ist ja auch noch nicht abzusehen, wie es weitergeht und wie lange die Teuerung anhält.

KAMPUS: Der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter und ich sind seit Monaten in enger Abstimmung, auch mit unserem Koalitionspartner. Wir waren österreichweit unter den ersten Bundesländern, die den Heizkostenzuschuss im Herbst 2021 um 42 Prozent auf 170 Euro angehoben haben. Mit dem Steiermark Bonus, der jetzt ab 1. Juli ausbezahlt wird, erreichen wir jetzt 50.000 Steirerinnen und Steirer in 30.000 Haushalten. Das sind die Bezieherinnen und Bezieher des Heizkostenzuschusses im letzten Winter und diejenigen, die im Mai Wohnunterstützung bezogen haben. Wir erreichen mit dem Bonus zu 80 Prozent ältere Menschen, und zwei Drittel davon sind Frauen.

LANG: Aufgrund der Corona-Pandemie musste das Land Steiermark mit enormen Einnahmenverlusten zurechtkommen. Da wir aber in den letzten Jahren stets gut gewirtschaftet haben sind wir nun auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig. Als Landesregierung haben wir daher ein Paket mit einem Volumen von rund zwölf Millionen Euro geschnürt. Neben sozialen Maßnahmen beinhaltet dieses Paket auch Unterstützung für den geförderten Wohnbau. Als Verkehrsreferent war es mir besonders wichtig, auch unsere Verkehrsunternehmen zu unterstützen, die sehr stark unter den Dieselpreissteigerungen leiden. Nur so konnten wir sicherstellen, dass die Steirerinnen und Steirer auch in Zukunft die Möglichkeit haben die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.

Auch wenn die Budget durch die Corona-Pandemie und Teuerung belastet sind, wird es möglicherweise weitere Maßnahmen brauchen. Oder erwarten Sie, dass sich die Situation entspannt?

LANG: Aufgrund der unsicheren Corona-Lage und dem schrecklichen Krieg in der Ukraine sind Prognosen für das kommende Jahr sehr schwierig. Grundsätzlich sind die Maßnahmen der Bundesregierung, insbesondere die Abschaffung der kalten Progression, zu begrüßen. Durch die vorgestellten Maßnahmen der Bundesregierung kommt es für die Steiermark und unsere Kommunen aber neuerlich zu massiven Einnahmenverlusten, welche das Nulldefizit erneut in weite Ferne rücken lassen. Insgesamt rechnen wir in der Steiermark derzeit, dass die gesamten Maßnahmen dem Land und den Gemeinden rund eine Milliarde Euro bis 2026 kosten werden. Daher braucht es eine klare finanzielle Unterstützung des Bundes für Länder und Gemeinden.

KAMPUS: Wir können als SPÖ versprechen, dass wir immer für die soziale Handschrift in der Steiermark sorgen und niemanden zurücklassen werden. Da können uns die Steirerinnen und Steirer vertrauen, weil wir es auch bisher bewiesen haben. Natürlich ist es wichtig, dass wir solide Finanzen haben, und  da sorgt Landeshauptmann-Stellvertreter und Finanzreferent Anton Lang dafür. Wichtig ist aber, dass wir auch in den kommenden Monaten, in denen vieles geschehen kann, genau auf die Entwicklung hinschauen und zielgerichtet reagieren, wie wir es mit dem Steiermark Bonus bereits getan haben.

350.000 Steirerinnen und Steirer sind mehr als 60 Jahre alt – etwa jede und jeder vierte im Land. Was tut die Steiermark sonst noch für die ältere Generation?

LANG: Ein wesentlicher Bestandteil zur Teilhabe am öffentlichen Leben ist für mich die Möglichkeit mobil zu bleiben. Daher investieren wir als Land Steiermark viel Geld in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Einerseits bauen wir unser S-Bahn Angebot aus, andererseits verstärken wir das RegioBus Angebot in den steirischen Regionen. Auch der Ausbau des Mikro-ÖV ist insbesondere für die ältere Generation von großer Bedeutung. Mein Dank gilt auch allen Steirerinnen und Steirer, die sich in verschiedenen Verbänden für unsere älteren Mitmenschen einsetzen.

KAMPUS: Wir im Sozialressort sind im engen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Seniorenverbände in unserem Seniorenbeirat. Ich freue mich auch, dass die Seniorenurlaubsaktion heuer wieder stattfinden kann. Und aktuell arbeiten wir gerade an einem Schwerpunkt, um Seniorinnen und Senioren besser vor Cyber Crime zu schützen.

Die ältere Generation hat sich in der Pandemie sehr solidarisch verhalten und in großen Teilen impfen lassen, andere hingegen nicht. Ist der Zusammenhalt in der Gesellschaft nun wieder da?

KAMPUS: Mit dieser Art von Verantwortungsbewusstsein haben die Seniorinnen und Senioren wieder einmal gezeigt, dass sie gute Vorbilder sind. Dafür ein großes Danke!

LANG: Zusammenhalt ist für mich einer der wesentlichen Grundwerte unserer Gesellschaft. Daher müssen wir gerade jetzt wieder enger zusammenrücken, denn nur gemeinsam werden wir die kommenden Herausforderungen meistern.

Beitrag veröffentlicht am 27. Juli 2022
©Peter Drechsler

 

Politik-Montag: Doris Kampus – Dort hinschauen wo es nicht gut läuft

Zur Sorge Corona kam auch die Sorge Inflation. Mag. Doris Kampus (54), die Soziallandesrätin der Steiermark, hat besonders die Schwächsten in der Gesellschaft im Visier.

Die ältere Generation hat schon seit zwei Jahren mit der Corona-Pandemie zu kämpfen. Was macht das mit den Menschen?

DORIS KAMPUS: Was die sozialen und psychologischen Aspekte betrifft, machen mir zwei Gruppen besonders Sorge. Das sind die Kinder und die Jugendlichen und natürlich die älteren Menschen. Das sieht man auch in der Seniorenstudie von Abenteuer Alter, zu der ich nur gratulieren kann. Auch wenn diese Ergebnisse sich auf die Zeit vor der Pandemie beziehen, zeigen sie, wie groß das Thema Einsamkeit bei den Älteren ist. Ich freue mich, dass diese Studie zeigt, wie viele ältere Steirerinnen und Steirer sich wohlfühlen und dass es ihnen gut geht. Aber mein Job als Soziallandesrätin ist es, dort hinzuschauen, wo es nicht so gut läuft.

Glauben Sie, die Befragten stellen ihre Befindlichkeit besser dar als sie ist?

KAMPUS: Viele in dieser Generation geben nicht so gerne zu, dass es ihnen nicht so gut geht. Ich glaube, unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe muss es sein, da hinzuschauen. Wenn man die Oma fragt, wie geht es dir, sagt sie: ‚Passt schon, passt schon‘. Das sagt sie sogar, wenn etwas nicht mehr passt. Ich glaube, diese Gruppe ist unter Corona eher größer geworden. Die Menschen haben sich ein Stück zurückgezogen. Das macht mir große Sorgen.

Braucht es vielleicht neue Wege, um in dieser Situation an die Seniorinnen und Senioren heranzukommen?

KAMPUS: Ich bin kein ausgesprochener Fan der neuen Medien, aber sie sind schon auch eine Chance, wie man noch teilhaben kann. In den Familien hat das geholfen, indem die Großeltern über Whatsapp trotz Lockdown etwas Verbindung mit den Enkeln hatten. Das macht viel aus, dass man auch die ältere Generation auf diese Weise einbindet. Auch die Seniorenverbände haben sich darauf eingestellt. Sie bieten jetzt Schulungen und Kurse an, damit sich diese Welt für alle öffnet. Wir beteiligen uns da durch die Finanzierung etwa des Seniorenbeirates oder von Computerkursen.

Zur Sorge wegen Corona ist für viele Menschen die Sorge um’s Geld gekommen, weil die Inflation so stark geworden ist wie seit vielen Jahren nicht mehr. Wie sehen Sie das?

KAMPUS: Die Teuerungswelle trifft die Älteren doppelt hart. Wir haben Zahlen dazu, die mich betroffen machen, weil die Teuerung vor allem die Gruppe 60+ sehr trifft. Wir haben zum Glück zwei Instrumente, mit denen wir das teurer gewordene Wohnen unterstützen, die Wohnunterstützung und der Heizkostenzuschuss. Bei der Wohnunterstützung sind mehr als die Hälfte der 8.000 Bezieher Pensionistinnen und Pensionisten. Das finde ich ganz schlimm. Beim Heizkostenzuschuss sind es mehr als zwei Drittel von fast 9.000. Wir haben den Heizkostenzuschuss von 120 auf 170 Euro erhöht, um dagegenzuhalten, aber da braucht es auch andere Bemühungen, zum Beispiel bei der Höhe der Pensionen.

Die Älteren wissen aus ihrem Leben, was Inflation ist, die jüngeren Generationen aber nicht. Hilft dieses Wissen etwas?

KAMPUS: Die, für die ich mich zuständig fühle, also MindestpensionistInnen oder BezieherInnen der Ausgleichzulage, sind ganz besonders betroffen. Wir brauchen im Sozialsystem mehrere Stellschrauben, einen Teil davon machen wir in der Steiermark mit diesen Hilfen beim Wohnen und Heizen und in anderen Bereichen. Wir brauchen aber auch eine Bundesregierung, die bei den Pensionen hinschaut. Und es ist verstörend, dass es noch immer und massiv zur Diskriminierung der Älteren kommt, nur auf Grund von Alter. Bei den Banken fragen sie, braucht man im Alter wirklich unbedingt einen Kredit? Aber auch in dieser Generation hat man zum Glück viele Wünsche, aber auch Notwendigkeiten. Man muss ein Bad umbauen oder andere altersgerechte Investitionen vornehmen. Was es im Bereich der Banken und Versicherungen immer noch an Altersdiskriminierung gibt, ist unglaublich.

Zu den Leistungen Ihres Ressorts gehört auch die Seniorenurlaubsaktion. Wie ist die unter Corona-Bedingungen gelaufen?

KAMPUS: Wie andere Entwicklungen. 2020 durften wir es gar nicht anbieten wegen der Corona-Lage. 2021 haben wir es wieder angeboten, aber die Nachfrage war schaumgebremst. Wir hätten mehr Plätze für diese Urlaube gehabt als in Anspruch genommen wurden. Ich schätze diese Möglichkeit sehr und treffe mich mit den Leuten und plaudere gern mit ihnen. Da gibt es teilweise Gruppen aus den Bezirken, wo man sich untereinander schon kennt. Ganz viele sind im Vorjahr aber nicht mitgefahren, weil sie sich nicht getraut haben. Für mich wäre es das Schlimmste, würde das so bleiben.

Die Seniorenstudie von Abenteuer Alter hat ergeben, dass viele dieser Altersgruppe noch arbeiten. Was halten Sie davon?

KAMPUS: Ich befürchte, diese Medaille hat zwei Seiten. Es gibt eine Gruppe, die das nicht ganz freiwillig macht, weil ihre Pension zu gering ist, um den Lebensstandard halbwegs zu halten. Das gefällt mir nicht, weil eigentlich sollten die Pensionen in Österreich für Menschen, die so lange gearbeitet haben, so sein, dass man gut  davon leben kann. Natürlich kommt noch die Frauenproblematik dazu: Sie haben weniger Versicherungsjahre, die Kinder betreut, und oft nur halbtags gearbeitet. Die andere Seite der Medaille sagt: ‚Jetzt bin ich Anfang 60, eigentlich geht es mir super, aber ich würde gerne noch Anteil haben und ich mache nebenher noch was‘. Das finde ich super. Und dazu kommt, dass wir jetzt auf dem Arbeitsmarkt die Chance, ein besonderes Zeitfenster, haben. Bisher hat es immer mehr Angebot als Nachfrage gegeben und jetzt ist daserstmals anders. Die Betriebe suchen händeringend Leute und jetzt haben erstmals auch Menschen der Generation 50+ eine realistische Jobchance.

Der Pflegenotstand wegen des Personalmangels in Spitälern und Heimen ist ein großes Problem, das zum Teil auch in Ihre Zuständigkeit fällt. Was muss geschehen, dass die Pflege gerade für die Älteren nicht zusammenbricht?

KAMPUS: Gemeinsam mit meiner Kollegin Juliane Bogner-Strauß bringen wir da einiges weiter. Wir haben schon vor fünf Jahren eine Pflegestiftung ins Leben gerufen, die hat schon 1.500 Arbeitslose ausgebildet oder sie sind in Ausbildung. Der Bedarf steigt nicht nur wegen der demografischen Entwicklung, sondern zum Beispiel auch deshalb, weil viele Pflegende am Ende ihrer Kräfte sind und eine Auszeit brauchen.

Beitrag veröffentlicht am 06.04.2022
© Peter Drechsler
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