Politiker:innen: Wie war das damals mit Sex, Drugs & Rock ’n‘ Roll?

DAS GROSSE GENERATIONENINTERVIEW

In einem Waggon des Wiener Riesenrads, hoch über den Dächern von Wien, findet sich ein interessantes Grüppchen. Die Spitzenvertreter:innen der Österreichischen Seniorenverbände stehen hier Abenteuer Alter in einem ganz besonderen Interview Rede und Antwort.

Es geht darum, Brücken zwischen den Generationen zu bauen, sich anzunähern und zu zeigen: Die Jugend kann von der Erfahrung der älteren Generation profitieren – und diese wiederum von der Spontanität der jungen.

Zu diesem Zweck sind Peter Kostelka (SPÖ), Ingrid Korosec (ÖVP) und Thomas Richler (FPÖ) nach Wien gereist und erzählen aus ihrem Leben. Doris Eisenriegler (Die Grünen) konnte leider nicht vor Ort anwesend sein, hat die Fragen jedoch schriftlich beantwortet. Im großen Generationen Interview geht es um die Menschen hinter den Politiker:innen. Und die beantworten Fragen der ganz anderen Art.

 Denn: Auch die ältere Generation war mal jung und hat viel zu erzählen!

KAROLINA WIENER: Eine Frage die uns Jungen unter den Nägeln brennt – wie war das damals eigentlich mit Sex, Drugs und Rock ’n‘ Roll?

PETER KOSTELKA, SPÖ: Sex war zu meiner Zeit ein unglaublich belastetes Thema. Mit Angst und Scham und religiösem Druck verbunden. Das war die Zeit, als ein Mädchen die Schule verlassen musste, wenn es schwanger wurde. Das hat oft die Zukunftsträume von jungen Frauen zerstört. Was Drogen betrifft, war das eigentlich ausschließlich Alkohol. Ich möchte dazusagen, dass es das Komasaufen von heute damals nicht gab. Der Tanz meiner Generation war der Twist, das war noch vor dem Rock n’ Roll. Damals hat ein Landeshauptmann in Westösterreich Twist sogar verboten, er hat ihn als unsittlich bezeichnet (lacht). Da haben wir erst recht getanzt!

INGRID KOROSEC, ÖVP: Das war eine tolle Zeit. Wenn ich an die Musik denke, an die Beatles, die Rolling Stones. Ich meine, was hätten wir heute für eine Musik, wenn es nicht damals diese gegeben hätte! Die ganze Entwicklung damals war schon eine Revolution der Jugend gegen das Establishment. Wir haben zusammenhalten und der Welt einen Haxn ausgerissen. Ich finde diese Entwicklung heute noch sehr positiv. Soweit ich konnte, habe ich das damals genossen, aber nicht zu viel, weil ich war schon berufstätig.

THOMAS RICHLER, FPÖ: Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, die nicht ganz so freizügig war und ich war immer in der Gastronomie berufstätig. Gerade in der Saison am Klopeiner See haben wir natürlich einen Blick auf die Mädchen geworfen, aber Leute wie ich waren am Abend sehr müde und wir sind lieber schlafen gegangen.

DORIS EISENRIEGLER, DIE GRÜNEN: Ich war immer schon eher widerständig gegen das Autoritäre. Da kam mir diese Bewegung, die sich gegen diese Nazistrukturen gerichtet hat, sehr entgegen. Bei der Arbeit an der Uni Wien habe ich die Studentenbewegung live miterlebt und das hat mich unheimlich interessiert und bewegt. Dann haben große Musik Festivals wie Woodstock die Begleitmusik zu den Protestbewegungen geliefert. Janis Joplin, Bob Marley, Bob Dylan und viele andere haben mich – und ich glaube meine ganze Generation – stark beeinflusst. Ich selbst habe keine Drogen genommen, aber es hat rund um mich stattgefunden.

KAROLINA: Expert:innen sprechen davon, dass Paare zwischen 60 und 80 Jahren wieder deutlich öfter Sex haben als jüngere. Ist das bei Ihnen auch so und wollen Sie uns verraten, wie sich Ihr Sexleben verändert hat?

KOSTELKA: Als ich jünger war, war Sex im Alter ein absolutes Tabuthema. Das ist es nicht mehr. Eine große Rolle spielt, dass die Älteren heute viel länger gesund bleiben wollen. Um körperliche Beziehungen zu pflegen, muss man sich körperlich wohl fühlen. Die Pensionistinnen und Pensionisten haben heute eine Ruhestandszeit von 20 und mehr Jahren, in dieser Zeit kann sich viel abspielen.

KOROSEC: Ich glaube, das kann man nicht verallgemeinern. Grundsätzlich ist es sicher so, wenn man älter wird, genießt man vielleicht Manches mehr, weil man mehr Zeit hat. Und da würde ich schon sagen, spielt die Liebe eine sehr große Rolle. Wenn man eine Partnerschaft hat, die so ist, wie man es sich vorstellt, ist das im Alter manchmal vielleicht sogar intensiver und schöner als in der Jugend.

RICHLER: In einem gewissen Alter hat man einen anderen Abstand zu allen Dingen. Und Liebe ist etwas anderes als Sex. Im Alter ist es wichtig, dass man sich gut versteht. Ich bin über 40 Jahre verheiratet, zufrieden und so soll es bleiben.

EISENRIEGLER: Es hat damals wie heute natürlich eine Rolle gespielt, dass die Pille gekommen ist und man als Frau nicht mehr Angst haben musste, schwanger zu werden.

KAROLINA: Ich bin jetzt in meinen 20ern und mich interessiert natürlich gerade dieser Lebensabschnitt sehr. Stellen Sie sich vor, Sie würden heute Ihrem 20-jährigen Ich gegenüberstehen: Was würden Sie ihm mitgeben?

KOSTELKA: Ich würde sagen: Hab Spaß, aber verletze niemand anderen. Nicht physisch und nicht psychisch. Und mach aus deinem Leben etwas.

KOROSEC: So wie ich mein Leben geführt habe, bin ich mit mir selbst zufrieden. Vieles hat Spaß gemacht, es war sehr abwechslungsreich. Ich bin ein Mensch, der Eintönigkeit ablehnt. Ich liebe Herausforderungen, auch jetzt noch, jeden Tag. Ich würde es wieder so machen.

RICHLER: Wir sind damals so aufgewachsen, dass sich alles um die Schule und den Arbeitsplatz gedreht hat. Natürlich haben wir auch unser Vergnügen gehabt und wenn ich mit Freunden zurückschaue, sind wir noch ganz begeistert von unserem Leben damals. Ich glaube, wir haben vieles richtig gemacht damals. Jetzt machen die jungen Leute es eben anders.

EISENRIEGLER: Da liegt die Erfahrung vieler Jahre dazwischen. Ich würde sagen: Nütze den Tag! Und bring dir ins Bewusstsein, dass das Leben kurz ist, und verschwende es nicht.

JOHANNES KÜBECK: Sie sehen auf große Abschnitte Ihres privaten Lebens und der öffentlichen Karriere zurück. Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie nicht in die Politik gegangen wären?

KOSTELKA: Mein Brotberuf vor der Politik war an der juristischen Fakultät der Uni Wien. Ohne Politik wäre es wohl eine akademische Laufbahn geworden. Ich habe mich anders entschieden, weil ich eine Art Horrorvorstellung hatte: Dass ich einen Schreibtischberuf habe und es läutet genau zweimal an einem Tag das Telefon, und einmal davon ist es meine Frau. Das war eine Horrorvorstellung von Berufsleben.

KOROSEC: Zum Beispiel Vorstandsdirektorin eine großen Firma. Ich hatte mit Politik überhaupt nichts am Hut gehabt, sondern war in führender Position in einem großen Unternehmen tätig – und natürlich gab es die Familie. Ich hatte schon das Ziel, bis ganz nach oben zu kommen, aber das war damals als Frau nicht machbar.

RICHLER: Bei uns war das Hotel immer Lebensmittelpunkt. Nach der Schule war klar: Schultasche weg und rein den Betrieb. Da haben wir nicht viel nachdenken müssen. Die Frage nach einem anderen Beruf hat sich nie gestellt. Als Funktionär war es reiner Zufall, dass ich die FPÖ-Senioren übernommen habe. Ich habe mich damals überreden lassen.

EISENRIEGLER: Ich hätte vielleicht einen schreibenden Beruf ergriffen und wäre Journalistin geworden. Ein anderer Wunsch während meiner Schulzeit war, Tierärztin zu werden.

JOHANNES: Sie gehören der Generation an, die in den 1970er Jahren schon eine hohe Inflation erlebt hat. Wie haben Sie selbst damals gespart und welche Tipps können Sie jungen Menschen geben, mit der Teuerung umzugehen?

KOSTELKA: Die Inflation in den siebziger Jahren war weit höher als sie bis vor einem Jahr war. Aber damals gab es eine ganz andere Reaktion der Regierung. 1976 hat es eine Pensionserhöhung von 11,5 Prozent gegeben! Und heuer hängen wir mit 1,8 Prozent herum und die Teuerungsrate ist im Frühsommer 2022 bei acht Prozent. Die öffentliche Hand ist verpflichtet, den Verlust der Kaufkraft der Pensionistinnen und Pensionisten sicherzustellen. Was die Jüngeren betrifft: Wie soll man sich bei den Preisen am Immobilienmarkt als junger Mensch eine Wohnung oder ein Haus leisten? Da müssen wir auch eine gesellschaftliche Lösung finden. Das kann man nicht einfach den Jungen überlassen.

KOROSEC: Es war schwierig. Man konnte damals überhaupt nichts sparen und musste froh sein, wenn man ausgekommen ist. Eine der Reaktionen auf die Ölkrise der 1970er Jahre war der autofreie Tag. Da hat man gedacht: Das gibt’s ja gar nicht! Und trotzdem ist es gegangen. Heute gibt es wieder solche Situationen, dass man denkt, das gibt es gar nicht, aber man passt sich an. Ich glaube dass es für die heutige Jugend notwenig ist, auf das eine oder andere auch zu verzichten.

RICHLER: In meiner Zeit mussten wir nicht sparen, weil es hat nichts gegeben. Wenn ich heute sehe, wie viel weggeworfen wird, tut mir das Herz weh. Vom Sparen haben die jungen Leute noch nicht so viel mitgekriegt. Sparen könnten sie sicher bei den Zigaretten oder beim Alkoholkonsum. Und bei den Lebensmitteln, indem man das einkauft, was man braucht, und nicht das, was man sieht.

EISENRIEGLER: Der Club of Rome hat ja schon in den frühen 1970er Jahren auf die „Grenzen des Wachstums“ hingewiesen, dass unsere Ressourcen wie Öl und Gas nicht unendlich vorhanden sind. Es hat also 50 Jahre gedauert bis dieses Wissen ins allgemeine Bewusstsein eingesickert ist! Man muss wissen, dass damals die Privathaushalte nur einen Bruchteil der Energie von heute verbraucht haben. Bei uns gab es einen Kachelofen mit Holz, das Schlafzimmer und die Küche waren ungeheizt!

JOHANNES: Als Mensch im Privat- und Berufsleben und als Spitzenvertreter:in der älteren Generation in Österreich haben Sie sehr viel erreicht. Haben Sie eigentlich noch Ziele?

KOSTELKA: Ich möchte die Ziele des Pensionistenverbandes erfolgreich weiterverfolgen. Also die Bekämpfung der Altersarmut und die Bekämpfung der Alterseinsamkeit. Wenn man heutzutage so lange in Pension sein kann, wird die Phase, in welcher der Mensch potenziell einsam ist, sehr lange. Und als Vater einer fünfeinhalbjährigen Tochter hoffe ich, dass aus ihr ein sehr glücklicher Mensch wird.

KOROSEC: Ziele muss man immer haben. Es gibt so viele Dinge, die ich noch machen möchte mit den Seniorinnen und Senioren, wenn ich an die Alterseinsamkeit denke, an die Altersdiskriminierung, an die Pflege, aber vor allem an den Paradigmenwechsel. Wir sind heute nicht alt und klapprig, sondern fidel, unternehmungslustig und wir genießen das Leben. Das zu verbreiten in der Öffentlichkeit ist eine harte Aufgabe.

RICHLER: Unsere Gastronomie hat schon neue Ziele, da sind jetzt meine Söhne dran. Wenn es die Gesundheit erlaubt, möchte ich auch meine Funktionen in der Arbeit für die ältere Generation noch eine Zeitlang weiterführen.

EISENRIEGLER: Es gibt noch allerhand, was ich tun und erreichen möchte. Dazu gehört durchaus auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Alter und dem Tod. Das ist eine Aufgabe, die man zu bewältigen hat, und die zu einem guten Leben gehört.

 

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von Karolina Wiener / Johannes Kübeck
© Philipp Bohar
Beitrag veröffentlicht am 10. August 2022

 

Siegfried Schrittwieser: Endlich Uhu!

Warum Altpolitiker Siegfried Schrittwieser nach Landhaus, Rotem Kreuz und Kirche jetzt Uhu werden wollte.

Diese zwei Dinge zu glauben fällt einem schwer, wenn sich der – salopp formuliert, könnte man sagen – „Gute-Laune-Typ“ vor der Pernegger Frauenkirche aus seinem Ford Kuga schwingt, dass er nämlich eine Woche zuvor noch mit einer covid-bedingten schweren Lungenentzündung kämpfte und dass er soeben auch beim Siebziger angeschrieben hat. Warum sich „Abenteuer Alter“ mit dem früheren Landeshauptmann-Stellvertreter Siegfried Schrittwieser ausgerechnet vor dieser Marien-Wallfahrtskirche traf, hat einen besonderen Grund, worüber hier noch die Rede sein wird.

Auf unser scherzhaftes Kompliment zur Begrüßung „Gratuliere, der schlankste Siegi, denn es je gab“ antwortet er lachend: „Ich habe mir auch fest vorgenommen, zu meinem Siebziger ein Uhu zu werden. Jetzt habe ich’s geschafft, jetzt bin ich Uhu. Unter hundert Kilo.“

Vor sieben Jahren hatte sich der gebürtige und auch heute noch dort wohnhafte Thörler Siegfried „Siegi“ Schrittwieser aus der Landespolitik verabschiedet, nicht aber von den Menschen, für die er immer da war. Vor allem nicht für jene aus „seiner“ Region, dort ist er weiterhin omnipräsent. Nicht als stimmenwerbender Politiker, sondern als engagierter Bezirksstellenleiter des Roten Kreuzes für Bruck-Mürzzuschlag. „Ich bin im Jahr 2016 zum Bezirksstellenleiter gewählt worden und es ist dann ein Jahr später die Fusion der vier Rot-Kreuz-Bezirke Bruck, Kapfenberg, Mürzzuschlag und Mariazell gelungen und, was mich besonders freut, wir schreiben heute schwarze Zahlen.“

Ganz von ungefähr kommt dieser erfreuliche Umstand nicht, der lässt auch auf eine gewisse Beharrlichkeit und Durchsetzungsfreude des Bezirksstellenleiters zurückführen: „Natürlich besuche ich mindestens einmal im Jahr alle 19 Bürgermeister unseres Rot-Kreuz-Bezirkes, halte enge persönliche Kontakte mit der Wirtschaft und habe immerhin auf diese Art in den letzten sechs Jahren mehr als drei Millionen Euro zusätzlich auftreiben können.“ Und übrigens: Vor kurzem wurde Siegfried Schrittwieser wieder für die nächsten fünf Jahre ohne jede Gegenstimme zum Bezirksstellenleiter gewählt.

Zum Sammeln von Erfahrungen für das Rote Kreuz hatte der gestandene Landes- und Kommunalpolitiker reichlich Gelegenheit. „Denn immerhin“, so Schrittwieser, „war ich schon 1983 Ortstellenleiter vom Roten Kreuz in Thörl und dort war meine erste Aktion, dass wir eine neue Dienststelle gebaut und dabei keine Schulden gemacht haben. Und ich muss sagen, ich bin heute nach 39 Jahren Rotes Kreuz noch immer gerne für diese Einrichtung da, weil ich spüre, ich habe noch die Kraft, die Freude und die Begeisterung und die lege ich jetzt in die Arbeit für das Rote Kreuz und schaue, dass ich so viel wie möglich von dem zurückgeben kann, was ich in meinem Berufsleben erfahren habe.“

Siegfried Schrittwieser als Bezirksstellenleiter beim Roten Kreuz

Was er alles in diesem Berufsleben erfahren hat? Erstens eine profunde Ausbildung als Schlosser bei der Firma Pengg in Thörl und zweitens in „seiner“ Sozialdemokratischen Partei einen Werdegang, von dem er heute nicht ohne Stolz sagen kann: „Niemand anderer in der SPÖ hat derart viele Funktionen ausgeübt wie ich.“ Mit 16 Jahren Landesobmann der jungen SPÖ, mit 27 der damals jüngste Vizebürgermeister, Bezirkspartei Parteisekretär. Mit seiner Einsatzfreude bald in Graz aufgefallen berief ihn Peter Schachner zum Landesparteisekretär. 1987 zum ersten Mal in den Landtag gewählt, in weiterer Folge Klubobmann im Landtag, dann einen Stellungswechsel von der Grazer Landhausgasse in das Thörler Rathaus, wo er den Bürgermeistersessel einnahm.

„Nachdem man mehrfach mit dem Ansinnen, mich als Bürgermeister zur Verfügung zu stellen, an mich herangetreten ist, habe ich zu den Thörlern gesagt ‚Gut, wenn’s ihr mich unbedingt wollt’s, dann komme ich.‘ Die haben gewollt und ich habe mich an mein Versprechen gehalten und bin Bürgermeister geworden, was in der Praxis jedoch bedeutet hat: Dienstauto weg und weniger verdienen. Aber Versprechen sind dazu da, um gehalten zu werden. Und die Belohnung ist gekommen in Form von mehr als 70 Prozent der Stimmen bei der nächsten Gemeinderatswahl.“

2005 eine „Rückholaktion“ nach Graz, diesmal als Präsident des Steiermärkischen Landtages, 2009 von Landeshauptmann Franz Voves als Landesrat für Soziales der Öffentlichkeit vorgestellt und ein Jahr später nach der Landtagswahl zum Landeshauptmann-Stellvertreter mit den Ressorts Soziales und Erneuerbare Energie ernannt. 2015 dann mit 63 Jahren der Abgang von der politischen Bühne, bedacht mit höchsten Auszeichnungen, darunter auch der großen Viktor-Adler-Plakette.

Erwin Zankel, ehemaliger Chefredakteur der Kleinen Zeitung und ebenfalls gebürtiger Thörler, der Siegi Schrittwiesers politischen Weg von dessen Jugend an mitverfolgte, kommt bei der Beurteilung des Gesamterscheinungsbildes Schrittwieser zu folgendem treffsicheren Schluss: „Bei ihm hat man sich jedes Mal, wenn er wieder eine neue Funktion antrat, die Frage gestellt, ob das für ihn nicht eine Nummer zu groß sein könnte. Und man konnte recht bald feststellen: Nein, ist es nicht. Er ist in jedes Amt rasch hineingewachsen und hat es überraschend gut ausgefüllt.“

In die Wiege gesungen war dem Sohn aus dem einfachen Arbeiterhaushalt in Thörl dieser Aufstieg in die Höhen der Landespolitik sicher nicht – sechs Kinder, drei Buben, drei Mädel, Mutter Hausfrau, Vater Alleinverdiener. Mit sechs Jahren ging der Bub schon ministrieren, machte das mit Begeisterung bis zu seinem zwölften Lebensjahr, dann war einmal Schluss. „Wir hatten damals Wochendienste, das hieß eine Woche lang jeden Tag um sechs Uhr Messe, zusätzlich Begräbnisse, aber auch Hochzeiten. Die waren gefragt, weil da hat es dann hier und da auch für die Ministranten ein paar Schillinge gegeben. Aber dafür wurde ich nie eingeteilt und einmal fragte ich den Kaplan, warum ich nicht darf und er stellte mir nur die Gegenfrage: Ministrierst du vielleicht nur wegen dem Geld? Ich habe mich umgedreht, bin gegangen und nie wiedergekommen. Ich war immer schon ein Gerechtigkeitsfanatiker.“

Diese Erfahrung hat aber seine positive Einstellung zur Katholischen Kirche nie getrübt, im Gegenteil, als Landtagspräsident hat er auch den Dialog mit Bischof Egon Kapellari gesucht und gefördert und als die Frauenkirche in Pernegg, als beliebte Wallfahrtskirche auch Klein-Mariazell genannt, bedenklich zu bröckeln begann, wandte sich der damalige Bürgermeister Andreas Graßberger an seinen Freund Siegi Schrittwieser: „Du, deine Frau Liesi ist ja Perneggerin und es wäre schön, wenn du uns da helfen könntest.“ Er half, wurde Obmann des Kuratoriums zur Rettung der Frauenkirche, setzte auf sein Verhandlungsgeschick und seine Verbindungen und man überzeuge sich selbst – das barockisierte Kulturjuwel ist es allemal wert, von der Brucker Schnellstraße D 35 die Abfahrt Pernegg zu nehmen und dort innezuhalten.

Einen Ruf als erfolgreicher Kirchensanierer wird man nicht so leicht los, also folgte schon die Einladung zum nächsten Kuratoriumsvorsitz, diesmal für die Pfarrkirche von Seewiesen. „Auch das ist nun abgeschlossen und selbst das Problem in St. Ilgen, dort habe ich aber nur dem Kuratorium angehört, haben wir gelöst. Der Turm ist dort schon ein wenig schief gestanden, jetzt hält er wieder für die nächsten Jahrzehnte.“

Rotes Kreuz, Kirche, und sonst noch etwas, was ihm den „Unruhestand“ verkürzt? „Oh ja, meine Frau und ich haben uns ein Jahresticket gekauft und entdeckt, wie schön es ist, mit den Öffis zu reisen. Vor kurzem waren wir in Venedig – super. Aber an meine Altersgeneration möchte ich an dieser Stelle schon noch eine kleine Botschaft ausrichten: Es soll niemand glauben, dass er, nur weil er 70 ist, schon zum alten Eisen gehört. Es ist nämlich wirklich schön, vorausgesetzt man ist noch gesund, sich in die Gesellschaft einzubringen und etwas Gutes zu tun. Schließlich kommt auch viel wieder zurück. Und das tut einem gut.“

von Dieter Rupnik
© Luef Light
Beitrag veröffentlicht am 01. August 2022

 

Interview: „Wir lassen in der Steiermark niemanden zurück.“

Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang und Soziallandesrätin Doris Kampus im Abenteuer Alter-Interview über die Teuerung, den Steiermark Bonus und warum Zusammenhalt gerade jetzt wichtig ist.

Frau Landesrätin, Herr Landeshauptmann-Stellvertreter, die Teuerung ist seit einiger Zeit das große Thema, das die Menschen in der Steiermark bewegt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

DORIS KAMPUS: Wir erleben es jeden Tag, dass das Leben in fast allen Bereichen teurer geworden ist. Von den Lebensmitteln über das Tanken bis zu den Energiepreisen. Den Steirerinnen und Steirern bleibt weniger in der Geldbörse. Das trifft alle Menschen, aber Menschen mit geringerem Einkommen besonders. Dazu kommt, dass sich die allermeisten von uns gar nicht mehr an eine solche Situation erinnern. Zum letzten Mal war die Inflation vor 50 Jahren so hoch. Das macht vielen Menschen verständlicherweise Sorgen, und sie fragen sich: Kann ich mir das oder das noch leisten? Wie kann ich Strom oder Heizöl sparen? Diese Sorgen höre ich auch immer wieder bei meinen Sozialsprechstunden in den steirischen Regionen.

ANTON LANG: Als Sozialdemokratie können und werden wir es nicht hinnehmen, dass sich immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten können. Mittlerweile spüren rund 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die Teuerungswelle. Wir sehen, dass gerade zahlreiche Pensionistinnen und Pensionisten besonders betroffen sind. Noch dazu haben sie keine Möglichkeit ihre Situation von alleine zu verbessern. Daher haben wir bereits am 1. Mai eine vorgezogene Pensionserhöhung gefordert, denn für mich ist klar, dass wir unsere älteren Mitmenschen, die ihr Leben lang viel für unser Land geleistet haben, jetzt nicht im Stich lassen dürfen.

Welche politischen Konsequenzen haben Sie aus dieser Entwicklung gezogen? Es ist ja auch noch nicht abzusehen, wie es weitergeht und wie lange die Teuerung anhält.

KAMPUS: Der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter und ich sind seit Monaten in enger Abstimmung, auch mit unserem Koalitionspartner. Wir waren österreichweit unter den ersten Bundesländern, die den Heizkostenzuschuss im Herbst 2021 um 42 Prozent auf 170 Euro angehoben haben. Mit dem Steiermark Bonus, der jetzt ab 1. Juli ausbezahlt wird, erreichen wir jetzt 50.000 Steirerinnen und Steirer in 30.000 Haushalten. Das sind die Bezieherinnen und Bezieher des Heizkostenzuschusses im letzten Winter und diejenigen, die im Mai Wohnunterstützung bezogen haben. Wir erreichen mit dem Bonus zu 80 Prozent ältere Menschen, und zwei Drittel davon sind Frauen.

LANG: Aufgrund der Corona-Pandemie musste das Land Steiermark mit enormen Einnahmenverlusten zurechtkommen. Da wir aber in den letzten Jahren stets gut gewirtschaftet haben sind wir nun auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig. Als Landesregierung haben wir daher ein Paket mit einem Volumen von rund zwölf Millionen Euro geschnürt. Neben sozialen Maßnahmen beinhaltet dieses Paket auch Unterstützung für den geförderten Wohnbau. Als Verkehrsreferent war es mir besonders wichtig, auch unsere Verkehrsunternehmen zu unterstützen, die sehr stark unter den Dieselpreissteigerungen leiden. Nur so konnten wir sicherstellen, dass die Steirerinnen und Steirer auch in Zukunft die Möglichkeit haben die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen.

Auch wenn die Budget durch die Corona-Pandemie und Teuerung belastet sind, wird es möglicherweise weitere Maßnahmen brauchen. Oder erwarten Sie, dass sich die Situation entspannt?

LANG: Aufgrund der unsicheren Corona-Lage und dem schrecklichen Krieg in der Ukraine sind Prognosen für das kommende Jahr sehr schwierig. Grundsätzlich sind die Maßnahmen der Bundesregierung, insbesondere die Abschaffung der kalten Progression, zu begrüßen. Durch die vorgestellten Maßnahmen der Bundesregierung kommt es für die Steiermark und unsere Kommunen aber neuerlich zu massiven Einnahmenverlusten, welche das Nulldefizit erneut in weite Ferne rücken lassen. Insgesamt rechnen wir in der Steiermark derzeit, dass die gesamten Maßnahmen dem Land und den Gemeinden rund eine Milliarde Euro bis 2026 kosten werden. Daher braucht es eine klare finanzielle Unterstützung des Bundes für Länder und Gemeinden.

KAMPUS: Wir können als SPÖ versprechen, dass wir immer für die soziale Handschrift in der Steiermark sorgen und niemanden zurücklassen werden. Da können uns die Steirerinnen und Steirer vertrauen, weil wir es auch bisher bewiesen haben. Natürlich ist es wichtig, dass wir solide Finanzen haben, und  da sorgt Landeshauptmann-Stellvertreter und Finanzreferent Anton Lang dafür. Wichtig ist aber, dass wir auch in den kommenden Monaten, in denen vieles geschehen kann, genau auf die Entwicklung hinschauen und zielgerichtet reagieren, wie wir es mit dem Steiermark Bonus bereits getan haben.

350.000 Steirerinnen und Steirer sind mehr als 60 Jahre alt – etwa jede und jeder vierte im Land. Was tut die Steiermark sonst noch für die ältere Generation?

LANG: Ein wesentlicher Bestandteil zur Teilhabe am öffentlichen Leben ist für mich die Möglichkeit mobil zu bleiben. Daher investieren wir als Land Steiermark viel Geld in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Einerseits bauen wir unser S-Bahn Angebot aus, andererseits verstärken wir das RegioBus Angebot in den steirischen Regionen. Auch der Ausbau des Mikro-ÖV ist insbesondere für die ältere Generation von großer Bedeutung. Mein Dank gilt auch allen Steirerinnen und Steirer, die sich in verschiedenen Verbänden für unsere älteren Mitmenschen einsetzen.

KAMPUS: Wir im Sozialressort sind im engen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Seniorenverbände in unserem Seniorenbeirat. Ich freue mich auch, dass die Seniorenurlaubsaktion heuer wieder stattfinden kann. Und aktuell arbeiten wir gerade an einem Schwerpunkt, um Seniorinnen und Senioren besser vor Cyber Crime zu schützen.

Die ältere Generation hat sich in der Pandemie sehr solidarisch verhalten und in großen Teilen impfen lassen, andere hingegen nicht. Ist der Zusammenhalt in der Gesellschaft nun wieder da?

KAMPUS: Mit dieser Art von Verantwortungsbewusstsein haben die Seniorinnen und Senioren wieder einmal gezeigt, dass sie gute Vorbilder sind. Dafür ein großes Danke!

LANG: Zusammenhalt ist für mich einer der wesentlichen Grundwerte unserer Gesellschaft. Daher müssen wir gerade jetzt wieder enger zusammenrücken, denn nur gemeinsam werden wir die kommenden Herausforderungen meistern.

Beitrag veröffentlicht am 27. Juli 2022
©Peter Drechsler

 

Politik-Montag: Mario Kunasek – Gute Zukunft für die kommenden Generationen

Mario Kunasek, Obmann der steirischen FPÖ im Sommerinterview über die aktuelle politische Situation in der Steiermark.

Herr Kunasek, vor drei Jahren wurden Sie Vater. Hat die Geburt Ihres Sohnes auch Ihre Einstellung als Politiker verändert?

MARIO KUNASEK: Als Familienvater ist es einem wohl noch wichtiger, an einer guten Zukunft für kommende Generationen zu arbeiten. So gesehen hat mein Sohn auch dazu beigetragen, dass es mir noch wichtiger ist, vernünftige Politik zu betreiben. Jedenfalls schärft das Vatersein den Blick auf gewisse Dinge. Vor allem im Bereich der Familienpolitik besteht in vielen Bereichen Handlungsbedarf. Ich habe zunehmend den Eindruck, keine Partei – außer der FPÖ – vertritt die Familien auf politischer Ebene.

Wer ist Ihr größtes politisches Vorbild?

KUNASEK: Grundsätzlich gibt es viele Menschen, die Großartiges geleistet haben und von denen man sich viel abschauen kann. Ich denke da ganz besonders an die Aufbaugeneration nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch an jene Nachkriegsgenerationen, die maßgeblich zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs beigetragen haben. Die Leistungsbereitschaft dieser Menschen hat es letztlich möglich gemacht, dass viele junge Bürger heute eine entsprechende Perspektive haben.

Im Pflegebereich gibt es einige Probleme – Stichwort Personalmangel in Spitälern und Heimen. Welche Lösung hat die FPÖ für dieses Problem?

KUNASEK: Unsere Lösung ist das freiheitliche Forderungspaket in diesem für uns enorm wichtigen Themenbereich, das von der Erhöhung des Pflegegeldes über die Ausarbeitung eines steirischen „Masterplans Pflege“ bis hin zur Möglichkeit, für pflegende Angehörige, sich bei einer Landesstiftung anstellen zu lassen, wie es etwa im Burgenland bereits im Zuge eines Pilotprojekts möglich ist, reicht. Im Ausbildungsbereich braucht es zudem eine Weiterentwicklung der bestehenden Modelle, wobei der Fokus auf den Ausbau und das flächendeckende Angebot berufsbegleitender Ausbildungsmöglichkeiten sowie eine faire Entlohnung für angehende Pflegekräfte in Vollzeitschulungsmodellen gerichtet sein sollte.

Durch den Ukraine-Krieg ist auch die Inflation ein großes Thema geworden. Welche Ansätze verfolgen Sie, damit den Seniorinnen und Senioren mehr Geld bleibt?

KUNASEK: Aus unserer Sicht braucht es jedenfalls eine entsprechend angepasste Pensionserhöhung im Rahmen der kommenden Verhandlungen. Zudem muss der steirische Heizkostenzuschuss verdoppelt werden und die Zusammenstellung eines Warenkorbs von Grundnahrungsmitteln samt Halbierung beziehungsweise Streichung der Mehrwertsteuer auf die darin enthaltenen Produkte wäre anzustreben.

In zwei Jahren sind steirische Landtagswahlen – stellt die FPÖ den Anspruch auf den Landeshauptmann?

KUNASEK: Die FPÖ wird jedenfalls einen starken Mitgestaltungsanspruch in der Grünen Mark stellen. ÖVP und SPÖ verharren weitestgehend in einem Stillstandsmodus und wenn sie reformieren, dann an den Bürgern vorbei. Ein Negativbeispiel ist in diesem Zusammenhang die Gesundheitsreform, wo Spitalsstandorte im ländlichen Raum einfach zugesperrt werden. Das ist vor allem für Senioren, die beispielsweise ihre Angehörigen besuchen wollen oder selbst besucht werden ein gravierendes Problem. Die Wege zur raschen Versorgung werden damit auch fast verunmöglicht.

Sie schmieden auch Bündnisse über die Parteigrenzen hinweg. Mit wem könnten Sie sich eine Zusammenarbeit in der Landesregierung vorstellen?

KUNASEK: Als Obmann der stärksten Oppositionspartei ist es mir wichtig, mit allen anderen Parteien zusammenzuarbeiten. Gerade wenn es um Kontrolle und Sachthemen geht, dann sollten nicht parteipolitische Überlegungen im Vordergrund stehen. Eine Koalitionäre Zusammenarbeit muss jedoch anhand der jeweiligen Wahlprogramme nach einem Urnengang sehr gut überlegt sein. Mit grünen oder kommunistischen Inhalten wären freiheitliche Positionen wohl sehr schwer vereinbar.

Welche politischen Ziele verfolgen Sie für die nächsten Jahre bzw. welche Projekte möchten Sie unbedingt noch umsetzen?

KUNASEK: Von der Oppositionsbank können wir leider nur Vorschläge einbringen und auf die Umsetzung durch die Regierungsparteien pochen. Besonders wichtig ist mir jedenfalls der Kampf gegen die Teuerung und die Sicherstellung einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik in allen Regionen. Darüber hinaus müssen wir auf die Erhaltung unserer Sicherheit achten. Die massive Zuwanderung aus allen Teilen der Welt bringt in diesem Zusammenhang auch enorme Probleme mit sich. Gegen diese Entwicklung tritt die FPÖ seit vielen Jahren auf.

Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft?

KUNASEK: Vor allem Gesundheit für meine Familie und mich.

Beitrag veröffentlicht am 11.07.2022
© FPÖ Steiermark
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Politik-Montag: Doris Kampus – Dort hinschauen wo es nicht gut läuft

Zur Sorge Corona kam auch die Sorge Inflation. Mag. Doris Kampus (54), die Soziallandesrätin der Steiermark, hat besonders die Schwächsten in der Gesellschaft im Visier.

Die ältere Generation hat schon seit zwei Jahren mit der Corona-Pandemie zu kämpfen. Was macht das mit den Menschen?

DORIS KAMPUS: Was die sozialen und psychologischen Aspekte betrifft, machen mir zwei Gruppen besonders Sorge. Das sind die Kinder und die Jugendlichen und natürlich die älteren Menschen. Das sieht man auch in der Seniorenstudie von Abenteuer Alter, zu der ich nur gratulieren kann. Auch wenn diese Ergebnisse sich auf die Zeit vor der Pandemie beziehen, zeigen sie, wie groß das Thema Einsamkeit bei den Älteren ist. Ich freue mich, dass diese Studie zeigt, wie viele ältere Steirerinnen und Steirer sich wohlfühlen und dass es ihnen gut geht. Aber mein Job als Soziallandesrätin ist es, dort hinzuschauen, wo es nicht so gut läuft.

Glauben Sie, die Befragten stellen ihre Befindlichkeit besser dar als sie ist?

KAMPUS: Viele in dieser Generation geben nicht so gerne zu, dass es ihnen nicht so gut geht. Ich glaube, unsere gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe muss es sein, da hinzuschauen. Wenn man die Oma fragt, wie geht es dir, sagt sie: ‚Passt schon, passt schon‘. Das sagt sie sogar, wenn etwas nicht mehr passt. Ich glaube, diese Gruppe ist unter Corona eher größer geworden. Die Menschen haben sich ein Stück zurückgezogen. Das macht mir große Sorgen.

Braucht es vielleicht neue Wege, um in dieser Situation an die Seniorinnen und Senioren heranzukommen?

KAMPUS: Ich bin kein ausgesprochener Fan der neuen Medien, aber sie sind schon auch eine Chance, wie man noch teilhaben kann. In den Familien hat das geholfen, indem die Großeltern über Whatsapp trotz Lockdown etwas Verbindung mit den Enkeln hatten. Das macht viel aus, dass man auch die ältere Generation auf diese Weise einbindet. Auch die Seniorenverbände haben sich darauf eingestellt. Sie bieten jetzt Schulungen und Kurse an, damit sich diese Welt für alle öffnet. Wir beteiligen uns da durch die Finanzierung etwa des Seniorenbeirates oder von Computerkursen.

Zur Sorge wegen Corona ist für viele Menschen die Sorge um’s Geld gekommen, weil die Inflation so stark geworden ist wie seit vielen Jahren nicht mehr. Wie sehen Sie das?

KAMPUS: Die Teuerungswelle trifft die Älteren doppelt hart. Wir haben Zahlen dazu, die mich betroffen machen, weil die Teuerung vor allem die Gruppe 60+ sehr trifft. Wir haben zum Glück zwei Instrumente, mit denen wir das teurer gewordene Wohnen unterstützen, die Wohnunterstützung und der Heizkostenzuschuss. Bei der Wohnunterstützung sind mehr als die Hälfte der 8.000 Bezieher Pensionistinnen und Pensionisten. Das finde ich ganz schlimm. Beim Heizkostenzuschuss sind es mehr als zwei Drittel von fast 9.000. Wir haben den Heizkostenzuschuss von 120 auf 170 Euro erhöht, um dagegenzuhalten, aber da braucht es auch andere Bemühungen, zum Beispiel bei der Höhe der Pensionen.

Die Älteren wissen aus ihrem Leben, was Inflation ist, die jüngeren Generationen aber nicht. Hilft dieses Wissen etwas?

KAMPUS: Die, für die ich mich zuständig fühle, also MindestpensionistInnen oder BezieherInnen der Ausgleichzulage, sind ganz besonders betroffen. Wir brauchen im Sozialsystem mehrere Stellschrauben, einen Teil davon machen wir in der Steiermark mit diesen Hilfen beim Wohnen und Heizen und in anderen Bereichen. Wir brauchen aber auch eine Bundesregierung, die bei den Pensionen hinschaut. Und es ist verstörend, dass es noch immer und massiv zur Diskriminierung der Älteren kommt, nur auf Grund von Alter. Bei den Banken fragen sie, braucht man im Alter wirklich unbedingt einen Kredit? Aber auch in dieser Generation hat man zum Glück viele Wünsche, aber auch Notwendigkeiten. Man muss ein Bad umbauen oder andere altersgerechte Investitionen vornehmen. Was es im Bereich der Banken und Versicherungen immer noch an Altersdiskriminierung gibt, ist unglaublich.

Zu den Leistungen Ihres Ressorts gehört auch die Seniorenurlaubsaktion. Wie ist die unter Corona-Bedingungen gelaufen?

KAMPUS: Wie andere Entwicklungen. 2020 durften wir es gar nicht anbieten wegen der Corona-Lage. 2021 haben wir es wieder angeboten, aber die Nachfrage war schaumgebremst. Wir hätten mehr Plätze für diese Urlaube gehabt als in Anspruch genommen wurden. Ich schätze diese Möglichkeit sehr und treffe mich mit den Leuten und plaudere gern mit ihnen. Da gibt es teilweise Gruppen aus den Bezirken, wo man sich untereinander schon kennt. Ganz viele sind im Vorjahr aber nicht mitgefahren, weil sie sich nicht getraut haben. Für mich wäre es das Schlimmste, würde das so bleiben.

Die Seniorenstudie von Abenteuer Alter hat ergeben, dass viele dieser Altersgruppe noch arbeiten. Was halten Sie davon?

KAMPUS: Ich befürchte, diese Medaille hat zwei Seiten. Es gibt eine Gruppe, die das nicht ganz freiwillig macht, weil ihre Pension zu gering ist, um den Lebensstandard halbwegs zu halten. Das gefällt mir nicht, weil eigentlich sollten die Pensionen in Österreich für Menschen, die so lange gearbeitet haben, so sein, dass man gut  davon leben kann. Natürlich kommt noch die Frauenproblematik dazu: Sie haben weniger Versicherungsjahre, die Kinder betreut, und oft nur halbtags gearbeitet. Die andere Seite der Medaille sagt: ‚Jetzt bin ich Anfang 60, eigentlich geht es mir super, aber ich würde gerne noch Anteil haben und ich mache nebenher noch was‘. Das finde ich super. Und dazu kommt, dass wir jetzt auf dem Arbeitsmarkt die Chance, ein besonderes Zeitfenster, haben. Bisher hat es immer mehr Angebot als Nachfrage gegeben und jetzt ist daserstmals anders. Die Betriebe suchen händeringend Leute und jetzt haben erstmals auch Menschen der Generation 50+ eine realistische Jobchance.

Der Pflegenotstand wegen des Personalmangels in Spitälern und Heimen ist ein großes Problem, das zum Teil auch in Ihre Zuständigkeit fällt. Was muss geschehen, dass die Pflege gerade für die Älteren nicht zusammenbricht?

KAMPUS: Gemeinsam mit meiner Kollegin Juliane Bogner-Strauß bringen wir da einiges weiter. Wir haben schon vor fünf Jahren eine Pflegestiftung ins Leben gerufen, die hat schon 1.500 Arbeitslose ausgebildet oder sie sind in Ausbildung. Der Bedarf steigt nicht nur wegen der demografischen Entwicklung, sondern zum Beispiel auch deshalb, weil viele Pflegende am Ende ihrer Kräfte sind und eine Auszeit brauchen.

Beitrag veröffentlicht am 06.04.2022
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Politik-Montag: Niko Swatek – Gemeinsam füreinander da sein

Niko Swatek, Jungvater und Klubobmann der Neos im steirischen Landtag, im Interview über das Verhältnis zwischen den Generationen und das Geld im Börserl.

Sie sind mit Ihren 31 Jahren der bisher jüngste Interviewpartner von Abenteuer Alter. Macht Sie das eigentlich alt?

NIKOLAUS SWATEK: Ich glaube, man ist so alt wie man sich fühlt und ich fühle mich gerade richtig, um in der Politik anpacken und dort etwas umsetzen zu können.

Wie sehen Sie generell das Verhältnis zwischen Alt und Jung in unserer Gesellschaft?

SWATEK: Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass die Generationen viel zu oft nebeneinander leben statt miteinander. Da kann die Politik noch mehr leisten, dass dieses Miteinander in der Gesellschaft wieder stärker im Vordergrund steht.

Was verstehen Sie unter ‚nebeneinander‘?

SWATEK: Naja, die Jungen reden über die Alten und die Alten über die Jungen. Man hört: Früher war alles besser. Ich glaube, man muss gemeinsam schauen, dass alle eine blühende Zukunft haben, egal, ob man jung oder alt ist, dass man sein Leben in jeder Generation so leben kann, wie man es leben möchte.

Erfahren sie als junger Vater familiären Kontakt mit ihren Eltern und Großeltern?

SWATEK: Ich habe leider keine Großeltern mehr, aber ich habe mit meinem Sohn das große Glück, dass ich Vater und Mutter habe und auch die Eltern meiner Lebensgefährtin, die uns zwischendurch Luft verschaffen, dass wir auch wieder etwas Zeit für uns haben.

Haben Sie eine Vorstellung davon, wie die Stimmung in der älteren Generation ist?

SWATEK: Da gibt es große Unterschiede, zum Beispiel zwischen meinem Vater und dem Vater meiner Lebensgefährtin. Jeder ist anders, aber am Schluss sind die menschlichen Bedürfnisse sehr ähnlich: Wir wollen Liebe genießen, menschliche Nähe spüren, unser Leben leben können und die Dinge machen, die uns Spaß machen. Durch Corona haben wir auch erlebt, dass Dinge, die uns selbstverständlich waren, nicht mehr ganz so möglich waren. Das hat Junge wie auch Alte betroffen.

Sie sprechen Corona an. Wenn wir uns die jüngere und die ältere Generation ansehen, kann man sagen, dass eine dieser beiden Gruppen stärker von der Pandemie betroffen war, dass sie mehr zu leiden hatte?

SWATEK: Ich würde Leid nie gegeneinander ausspielen. Junge Menschen waren im Distance Learning und viele hatten mit psychischen Problemen zu kämpfen. Wir haben sogar eine sehr hohe Rate an Jugendlichen mit Suizidgedanken, da müssen wir hinschauen. Auf der anderen Seite haben wir bei älteren Personen denselben Effekt. Wir haben Menschen in Pflegeheimen, die keinen Besuch empfangen durften und auch vereinsamt sind. Das hat auch dort Schäden angerichtet, die unsere Gesellschaft in Zukunft nicht mehr zulassen sollte.

Ist das ein Versagen der Generation dazwischen, zwischen den Jungen und den Alten?

SWATEK: Es war in meinen Augen eher ein Politikversagen, weil man auf gewisse Gruppen zu spät geblickt hat oder weil man bei den Maßnahmen nicht an die Folgen für bestimmte Gruppen gedacht hat.

Ist Politikversagen nicht ein leeres Schlagwort? Haben nicht doch die Menschen versagt?

SWATEK: Naja, die Menschen machen Politik.

Wenn wir in Schulen oder Altersheime sehen, da gehen ja Menschen hinein und nicht Politiker.

SWATEK: Ja, aber die Menschen konnten nicht hineingehen, weil die Politik gesagt hat, die Tore sind zu. Wir wissen, dass Vereinsamung ein Element ist, das dazu führen kann, dass die Menschen auch in den letzten Jahren den Willen verlieren, sich noch einmal aufzurichten.

Neben der Herausforderung Corona hat uns auch die Herausforderung Inflation getroffen. So eine Geldentwertung hat die jüngere Generation noch nie erlebt, viele Ältere aber schon wiederholt. Was fällt den Neos zu diesem wichtigen Thema ein?

SWATEK: Wir müssen schauen, dass den Menschen mehr Geld im Geldbörserl bleibt. Mit den steigenden Preisen steigen ja auch die Steuereinnahmen und wir müssen festhalten, dass Österreich trotz Coronakrise Rekordeinnahmen hatte. Wir sehen, dass 40 Prozent des Strompreises Steuern und Abgaben sind. Dieses Geld müssen wir den Menschen zurückgegeben, damit sie wieder Spielräume haben.

Wie schwer es ist, mit seinem Geld hauszuhalten, zeigt eine Studie der Neos, in der sich die jungen Menschen beklagen, sie könnten heutzutage keine Vermögen mehr aufbauen. Frühere Generationen haben in viel schlechteren Zeiten aber sehr wohl Vermögen geschaffen. Haben die Jüngeren heute vielleicht zu hohe Konsumausgaben?

SWATEK: Auf keinen Fall, darum geht es nicht. Das Problem gerade für die Jüngeren ist, dass die Löhne nicht adäquat steigen. Deshalb haben junge Menschen oft nicht den Spielraum, sich eine Wohnung oder ein Haus leisten zu können.

Sie sagen, die Löhne steigen nicht genug. Wer sollte denn für bessere Einkommen sorgen?

SWATEK: Naja, wir alle.

Wir alle, das ist zum Beispiel der Staat …

SWATEK: Der Staat ist nicht immer die Lösung, sondern oft das Problem. Wenn der Staat uns weniger belasten würde, weniger Lohnnebenkosten fordern würde, hätte die Wirtschaft mehr Spielräume und wir hätten weniger Arbeitslose. In der Coronakrise haben wir gesehen, dass wir den Staat fit machen müssen, damit wir als Gesellschaft vor Krisen besser geschützt sind.

 

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Beitrag veröffentlicht am 11.04.2022
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