Zu Besuch bei Waterloo: Seine kleine Welt

Waterloo hat in Mörbisch sein Paradies gefunden. Wir von Abenteuer Alter durften ihn dort besuchen und erfahren, dass es nie zu spät für eine kleine feine Welt und die große Liebe ist.

Damals, 1976, als die Welt ein bisschen übersichtlicher war, als Schlagermusik noch die Massen begeistern und man sich an die Teilnehmer eines Songcontest erinnern konnte, sang sich ein österreichisches Popduo in die Herzen der Radiohörer. Waterloo und Robinson hieß das 1969 gegründete Duo, das für Siebzigerjahre-Hits wie „Baby Blue“ oder das von Christian Kolonovits geschriebene „Hollywood“ berühmt wurde. Internationale Bekanntheit erlangten die beiden, als sie beim Songcontest mit der englischen Version von „Das ist meine kleine Welt“ im niederländischen Den Haag für Österreich teilnahmen und prompt auf Platz 5 landeten. Die deutschen Vertreter, die Les Humphries Singers, erreichten lediglich Platz 15, gewonnen hat „Brotherhood of Man“ mit ihrem Song „Save your kisses form me“. Die größere Strahlkraft im Duo hatte jedoch stets der Sänger Waterloo, Hans Kreuzmayr. Und der hat vor wenigen Jahren seine kleine Welt in Mörbisch gefunden, die wir besuchen durften.

Auf einer Anhöhe mit herrlichem Blick auf den Neusiedlersee begrüßt er uns. Vorbeifahrende Radfahrer tuscheln, Hans Kreuzmayr lacht. „Ich sage ja immer, dass ich ein kleines Häusel habe. Oft bleiben Radfahrer stehen und rätseln, ob das wohl mein Haus ist“, und deutet auf ein blaugraues Gartenhäuschen, das auf dem Nachbargrundstück steht. Wir betreten den Garten seines Hauses, drei Stunden dürfen wir bei ihm verbringen, in denen er launig über sein Leben berichtet. Stets an der Seite seine Andrea, von ihm verehrte Ehefrau, Officemanagerin, Checkerin und Kümmerin. Sie hat ihm anfangs Tanzunterricht gegeben, als er 2008 für Dancing Stars angefragt wurde, und es – trotz „bescheidenem Talent“ – fast bis ins Halbfinale geschafft hatte. Sie war es auch, weswegen das Paar den Wohnsitz vor vier Jahren vom oberösterreichischen Wels ins Burgenland verlagert hat. „Ich habe das Wetter dort nicht mehr ausgehalten“, sagt Andrea. So sei man nach Rust gefahren, um sich nach einer Immobilie umzusehen. „Nichts haben wir gefunden“, erzählt sie, „ich war todtraurig und dachte mir schon, dass ich bis zu meinem Lebensende im oberösterreichischen Nebel gefangen sein werde.“ Vor der Abreise drehte das Ehepaar mit dem Auto noch eine kleine Runde durch Mörbisch und kam vor einem wunderschönen kleinen Haus zum Stehen, das zum Verkauf stand. „Es ist genau für uns gemacht“, sagt Waterloo und bittet in den heimeligen Garten, für den Andrea verantwortlich zeichnet. „Ich liebe es halt, zu gestalten. Magst einen Kaffee?“, fragt sie und verschwindet im Haus.

Hans Kreuzmayr, der heuer 77 wird, steht noch immer auf der Bühne, und das gern. Waterloo und Robinson trennten sich 1981, es gab zwischendurch immer wieder Comebacks, 2007 beschloss man, eigene Wege zu gehen. Waterloo macht Musik, wie die Einflüsse gerade daherkommen, er hat etwa ein indianisches Album produziert und eines mit seinem Stiefsohn Erik. Im Keller liegt sogar noch eine Aufnahme mit dem amerikanischen Countrystar Willie Nelson, die er rechtebedingt bislang noch nicht veröffentlichen durfte. Weil er ohne Label arbeitet und seine Andrea die künstlerische und organisatorische Arbeit übernimmt, kann sich Waterloo leisten, Musik aus Spaß und Freude zu machen. Die großen Erfolge der Siebziger und Achtziger mit Reisen in die ganze Welt haben ihn geprägt. Er absolvierte gefeierte Auftritte vor großem Publikum, von Japan kommen noch immer die Anfragen, dorthin ist ihm aber die Anreise zu beschwerlich.

Vom Hendlbrater zum Bühnenstar

Hans Kreuzmayr wurde im oberösterreichischen Altheim geboren, weil der Vater in Linz einen Job bekommen hatte, zog die Familie dorthin. Er wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf, in einer Souterrainwohnung, es gab nur das Nötigste. Hans absolvierte eine Tischlerlehre, es folgte das Bundesheer, er hatte mehrere Jobs, unter anderem arbeitete er als Hendlbrater in einem Einkaufszentrum. In einem Möbelhaus war er für die Gestaltung und Inneneinrichtung zuständig, dort fand jedoch der Inhaber seine charmante Art gar nicht gut. Er brauche nicht so freundlich sein, schon gar nicht zu seiner Frau, herrschte er ihn an. Auf seinem Nachhauseweg durch Linz-Urfahr sinnierte er, was er stattdessen arbeiten könne, und kam an einem leeren Geschäftslokal vorbei. Das sei ein schöner Ort für eine Damenboutique, dachte er. Eine Frau, die mit ausladendem Oberkörper und verschränkten Armen am Fenster lehnte und die Geschehnisse aus der Straße beobachtete, zeigte ihm den Weg zum Besitzer der Immobilie. Dieser meinte auf Kreuzmayrs Ankündigung, dass er den Laden gern mieten würde, aber knapp bei Kasse sei, „1500 Schilling. Passt das?“ Es passte. Für die Gestaltung des Geschäftes suchte Hans Kreuzmayr eine kreative Person, die er in der gegenüberliegenden Kunstschule in seinem späteren musikalischen Partner Josef Krassnitzer fand. Weil Kreuzmayr anfangs Schwierigkeiten hatte, für die Boutique eine Genehmigung zu erhalten, zog er einen jungen Mitarbeiter der oberösterreichischen Wirtschaftskammer zu Rate, der ihm half, die Probleme aus dem Weg zu schaffen. Sein Name war Christoph Leitl.

Der Neid gehört in Österreich dazu

Genauso wie der Erfolg seiner Damenmoden-Boutique Eglisé, in der auch die Schwester mitarbeitete, in die Höhe schnellte, ging es mit der Bühnenkarriere von Waterloo und Robinson stetig bergauf. 1969 begann ihre musikalische Zusammenarbeit, 1971 belegten sie mit ihrem Lied „Du kannst sehen“ über ein blindes Mädchen den dritten Platz bei der Show-Chance, einem von ORF, ZDF und SRG veranstalteten Talentewettbewerb. Hans Kreuzmayr erinnert sich schmunzelnd an seinen ersten Besuch bei Evamaria Kaiser im ORF, die in den 1960er-Jahren die Sendung „Gut aufgelegt“ präsentierte und heimische Talente förderte. Ihr legte er Demobänder seiner früheren Band „Melodias“ vor, worauf diese antwortet: „Lernt’s erst mal singen und dann kommt’s wieder.“ Für Waterloo war dies eine Erfahrung, die ihn bis heute prägt: „50 Prozent der Menschen mögen dich und 50 Prozent sind dir neidisch oder trauen dir nichts zu. Ich habe mir schon damals gesagt: Wenn ich es schaffe, in dieser Mitte durchzugehen, bin ich auf dem richtigen Weg.“ Neid, diese österreichische Tugend, ist dem Künstler keineswegs fremd. Nicht unerfreut sei man deshalb gewesen, als sich die Karriere des Duos Waterloo und Robinson in den Siebzigerjahren eher nach Deutschland verlegte, wo die beiden in den großen Abendshows von Peter Frankenfeld, Lou van Burg oder Hans Rosenthal oft zu Gast waren.

Seinen Weg zu finden half ihm schon sein Vater. Dieser sollte bei seinem Jobantritt bei der Voest der SPÖ beitreten, was er ablehnte. Er habe seine Prinzipien gehabt, die sich stets auf der „moralisch guten“ Seite des Lebens befunden hätten, betont Waterloo: Die Erziehung sei wohlwollend gewesen, „er hat geraucht und zu mir hat er gesagt: Du kannst machen, was du willst, ich würde es dir aber nicht empfehlen“, und als am Voest-Gelände zwei kleine Katzen gefunden wurden, hat er sie kurzerhand mit nach Hause genommen, um sie vor ihrem sicheren Tod zu beschützen. Das richtige Gespür für Mensch, Tier und Natur begleitet den Künstler bis heute. Seit vielen Jahren leben er und seine Andrea vegetarisch, nur ab und zu kommt Fisch auf den Tisch. Der Vater begleitete ihn als Kind auch nach Wien zum Vorsingen bei den Wiener Sängerknaben, zu einer Aufnahme ist es aber nicht gekommen. „In meinem Blut fließt Musik“, sagt Waterloo, der Vater hat ihn dabei stets unterstützt. Des Sohnes musikalisches Talent half diesem auch sonst im Leben: „In Mathematik bin ich einmal zwischen vier und fünf gestanden, ich mochte das Fach einfach nicht. Ich habe der Lehrerin ein Lied vorgesungen und sie hat meine Note auf einen Vierer korrigiert. Beim Marschieren beim Bundesheer hieß es oft: ,Funker Kreuzmayr, ein Lied!‘ Ich habe ein Lied gesungen und bekam dafür zwei Tage frei.“

Die echte Liebe ließ sich Zeit

Seine ruhigere Lebensphase läutete vor allem ein Ereignis ein: Als er vor 23 Jahren seine jetzige Frau kennenlernte. Er spielte damals im niederösterreichischen Winzendorf den Winnetou im Stück „Winnetou und Old Surehand“, Andreas Sohn wirkte bei der Veranstaltung mit. Die damals 40-Jährige durchlebte gerade eine schwierige Zeit und war auf dem Sprung nach Indien, dort wollte sie in einem Kinderheim mithelfen. Um das zu verhindern, intervenierte Sohn Erik bei Waterloo: „Rede ihr das bitte aus“. Der Musiker ging zur Mutter, gab ihr seine Telefonnummer und meinte: „Ruf mich bitte an, wenn du reden willst.“ Andrea arbeitete damals in einem Fotogeschäft, fasste sich, bereits mit Schmetterlingen im Bauch, ein Herz, wählte am Festnetztelefon die Nummer und legte wieder auf. Beim dritten Versuch blieb sie standhaft, Waterloo hob ab, in dem Moment betrat eine Kundschaft das Geschäft, sie stammelte nur: „Hier ist die Mama vom Erik, entschuldige, ich arbeite in einem Fotogeschäft und soeben ist jemand hereingekommen“, und legte auf. Wenige Tage später läutete das Telefon, am anderen Ende war der Musiker. Woher er ihre Telefonnummer habe? Er: „Ich habe alle Fotogeschäfte in Wiener Neustadt durchgerufen, ob es dort eine Andrea gibt.“

„Wenn ich etwas will, bekomme ich das auch“, sagt Hansi Kreuzmayr und schmunzelt. So sei das schon immer gewesen. Der Beginn dieser liebevollen und treuen Beziehung führte sie zunächst nach Oberösterreich, wo das Paar knapp 20 Jahre lebte. In Mörbisch nun haben sie ihre Bleibe gefunden, Herz und Seele sind am Tag des Einzugs ebenfalls angekommen, sagt Andrea und lacht. Wir verabschieden uns, Waterloo muss sich auf sein Konzert vorbereiten, das am nächsten Tag zu spielen ist. „Pfiat di und bis bald“, ruft er. Und ein paar Radfahrer freuen sich, den berühmten neuen Mörbischer live gesehen zu haben.

Waterloo vor seinen goldenen Schallplatten

von Daniela Müller
© Daniela Müler, Andrea Kreuzmayr
Beitrag veröffentlicht am 06. August 2022

 

Barbara Frischmuth: Mein fantastisches Leben

Barbara Frischmuth spricht mit Abenteuer Alter über ihr Ausseer Dirndl, ihren Feminismus und die Gefahr des Klimawandels.

Die gefeierte Schriftstellerin lebt und arbeitet in ihrem Haus hoch oben über Altaussee und ist durchaus froh, dass sie nicht alles mitbekommt, was „unten“ im Ort passiert. Zum Beispiel die Folgen der Bauwut im Ausseerland und im ganzen Salzkammergut, die sie stören und verärgern. Aber auch in ihrem großen Garten erkennt die Schriftstellerin Veränderungen, die sie herausfordern und die auf verblüffende Weise den Ereignissen unserer Tage ähneln. „Auch Pflanzen haben ihre Reviere und überwuchern die anderen“, beobachtet sie bei der täglichen Arbeit. Im Mai, als Barbara Frischmuth mit Abenteuer Alter telefonierte, musste sie feststellen, dass im harten Winter manche ihrer Pflanzen erfroren sind, konnte aber auch die Pracht ihrer Pfingstrosen genießen.

Die 81-Jährige kennt wie wenige sowohl das Leben in der Stadt als auch auf dem Land, in ihrem Heimatort. Ganz schnörkellos sagt sie „Altaussee ist sehr schön“. Sie kann das trennen vom Umstand, dass es hier ein Klima gibt, das ihre Pflanzen erfrieren lässt, und davon, dass sie den Flächenfraß durch die Untaten der Bauwütigen für ein ernstes Problem hält. Sie akzeptiert einige der Villen der Großbürger aus Wien oder München, wird aber energisch beim Gedanken, dass Manche aus Spekulationsgründen zwei oder drei Wohnungen horten und die Preise für Immobilien in schwindelnde Höhen treiben: „Man muss einmal Stopp sagen!“ Die äußerst erfolgreiche Autorin Barbara Frischmuh missgönnt niemandem das Erreichte, vermisst aber Grenzziehungen. „Wenn es hier zu wenig Wiesen und Umwelt gibt, wird auch Altaussee seinen Charme verlieren. Dann kann man gleich nach Kitzbühel fahren.“ Sie kennt schon Leute, die sagen, dass sie nicht mehr kommen, weil es nicht mehr das Altaussee ist, das sie lieben. „Die Ruhe, die wunderschöne Landschaft, die Natur – das hört sich alles auf.“

Das ist nicht Verbitterung, sondern derselbe Realismus, der aus ihr spricht, wenn die Touristen im Ort in Tracht und Dirndl aufmarschieren. Sie anerkennt die Kleidsamkeit des Dirndls: „Den meisten Freuen passte es“. In ihrem Schrank hängen „drei oder vier Dirndln, die ich schon ewig habe“. Das spricht wohl auch dafür, dass sie ihre Figur über die Jahre behalten hat. Sie trägt ein Dirndl nur im Salzkammergut und höchstens dann, „wenn es ein Fest gibt, wo man es halt anzieht“. So würden es alle Einheimischen halten. Offenbar tragen die Ortsfremden viel öfter Tracht als die Ausseer es tun. „Denen macht es Spaß und sie glauben dann, dass sie eher Kontakt zu den Einheimischen finden. Und für die Einheimischen ist es eine Einkommensquelle.“

Manche ihrer Beobachtungen und Empfindungen klingen lakonisch und andere wiegen schwer. Etwa, wenn Barbara Frischmuth sich intensiv mit den Themen des Lebens auseinandersetzt. Ihre Naturverbundenheit ist kein Gefühl, sondern geradezu wissenschaftlich fundiert und kommt in ihren jüngsten Büchern zu Ausdruck: „Dein Schatten tanzt in der Küche“ und „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“. Deshalb hat sie mehr als nur Sympathie für die Fridays for future-Bewegung. „Die Natur rächt sich zu Recht. Da kommt etwas auf uns zu, was die meisten noch immer nicht ernst nehmen und das die nächste Generationen ausbaden müssen“, sagt sie. Das ist nicht Selbstanklage, sondern Analyse.

Sie gehört einer Generation an, „die ein fantastisches Leben hatte, weil es keinen Krieg gab“ und weil die Gesellschaft „auf die erste Nachkriegsjugend geradezu gewartet hat.“ Die positive Erfahrung, willkommen zu sein, begleitet sie ihr ganzes Leben und wappnen sie für alle Herausforderungen. Umso mehr macht ihr zu schaffen, dass sie neben der drohenden Klimakatastrophe und der Pandemie auch noch einen Krieg in Europa erleben muss. Also ob die Schäden durch den Klimawandel noch nicht bedrohlich genug wären, „kommt da noch diese Zerstörung durch die Menschen dazu“. Als Schriftstellerin will Barbara Frischmuth nicht behände gleich ein Buch über dieses neue Thema schreiben, das hat sie auch in Bezug auf die Pandemie vermieden. So etwas braucht „eine längere Zeit und einen gewissen Abstand“. Zum Beispiel sagt sie über das 2019 erschienene Buch „Verschüttete Milch“, sie habe es „schon 40 Jahre lang schreiben wollen“.

Durch all die Jahre und all die Bücher, Aufsätze und Vorträge zieht sich ein leidenschaftliches Bekenntnis zum Frau-Sein und zum fundierten Feminismus.

Das beginnt mit der Erfahrung zuhause, weil sowohl ihre Großmutter als auch ihre Mutter nach dem Tod des Mannes „ihren Mann stehen“ mussten, die eine in einer Fleischhauerei, die andere in einem Hotel. Man darf sich auch Barbara Frischmuth nicht als Stern vorstellen, der ohne sein Zutun von einer Sonne bestrahlt wird, sondern als eine zielstrebige berufstätige Frau. Die große Zahl von Büchern, die sie in mehr als 50 Jahren geschrieben hat, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis disziplinierter Arbeit. Diese gelebte Selbstständigkeit gerade als Frau war in ihrer Generation die absolute Ausnahme. Das sind andere Erfahrungen, als sie etwa Ingeborg Bachmann machte, von der demnächst ein Film erzählen wird, dass sie bei ihrem Lebenspartner Max Frisch auch so etwas wie Schutz gesucht habe. Die Altausseerin hat durchaus Verständnis für dieses Empfinden, sagt aber ohne Schnörkel „Ich habe immer versucht, mich selbst zu schützen.“

von Johannes Kübeck
© Luef Light
Beitrag veröffentlicht am 29. Juli 2022