Abenteuer Alter legt die erste steirische Seniorenstudie vor. Sie zeigt: Rund 70 % der junggebliebenen Steirer und Steirerinnen sind mit ihrem Leben zufrieden, es gibt aber auch Schattenseiten. Ein Schaufenster ins Leben und ein ernster Appell an die Politik.
Erstmals haben wir für unsere Leser in einer Umfrage erhoben, wie es den 250.000 SeniorInnen über 60 Jahren in der Steiermark geht. Das Ergebnis der Seniorenstudie ist erfreulich, manche Details machen aber nachdenklich. So sind erstaunliche 70 Prozent der Befragten mit ihrer persönlichen Lebensqualität zufrieden, in hohem Grad gesund, aktiv und reiselustig. Man könnte sagen, sie empfinden Glück im Leben. Zu viele beklagen aber auch finanzielle Nöte, gesundheitliche Sorgen oder Einsamkeit, andere wiederum planen teure Reisen. Der hohe Grad an Zufriedenheit der älteren Generation mit ihren Lebensumständen ist nicht gleichmäßig über die ganze Generation verteilt. Auf dem Land bezeichnen mehr als 80 % der Befragten ihre persönliche Lebensqualität als sehr hoch oder hoch. Im städtischen Raum sind es rund 57 %, also deutlich weniger.
Der wichtigste Faktor für die überwiegend gute Stimmung in dieser Generation ist nach der Studie, dass die SteirerInnen mit der Pensionierung viel Souveränität zurück gewinnen. Sie können frei über ihre Zeit entscheiden, sind frei von Arbeitsdruck und beruflichen Verpflichtungen und können sich eigenen Bedürfnissen, der Familie, Freunden und Hobbys widmen. Der Übergang in die Pension bringt auf jeden Fall große Veränderungen mit sich. Fast 35 % der Befragten empfinden dadurch keine nachteiligen Wirkungen, doch fast 25 % hadern damit, dass sie seit dem Pensionsantritt weniger Geld zur Verfügung haben. Keine andere negative Veränderung wurde von den Befragten auch nur annähernd so oft genannt. Die Seniorenstudie zeigt der Politik hier, dass es Handlungsbedarf gibt.
16,9 % der Befragten gaben an, dass sie sich seit der Pensionierung sehr einschränken müssen, weitere 33,1 % berichteten von Einschränkungen, die aber nicht so heftig sind. Die finanzielle Anspannung hat Folgen. Diese Gruppe erfährt Formen der Altersdiskriminierung etwa bei der Bank oder der Versicherung. Und fast 19 % der steirischen Pensionisten gehen einer berufsähnlichen und bezahlten Tätigkeit nach, und zwar durchschnittlich mehr als sechs Stunden pro Woche. Neben der Geldsorgen von zu vielen älteren SteirerInnen wiegt auch die Einsamkeit schwer, dazu die nachlassende Gesundheit und das Empfinden, im Leben nur noch wenig Sinn zu sehen. Ein Drittel in dieser Altersgruppe sagte, dass sie gesundheitliche Probleme haben. Die anderen zwei Drittel fühlen sich sehr gesund oder gesund. Sogar mehr als 90 % fühlen sich geistig voll fit. Dazu gehören wohl Angehörige einer speziellen Gruppierung. 12,3 % der befragten älteren Steirerinnen erklärten, schon eine Schönheits-OP gehabt zu haben. Weitere 6,5 % haben eine geplant.
Der hohe Grad an körperlichem und geistigem Wohlbefinden hängt entscheidend damit zusammen, was die älteren SteirerInnen in ihrer Freizeit machen. 65 % der Befragten treiben nach eigenen Angaben zumindest halbwegs regelmäßig Sport. Am häufigsten bei den möglichen Mehrfachnennungen wurden Spaziergänge mit oder ohne Nordic Walking-Ausrüstung genannt (46 %), gefolgt von Wandern/Bergsteigen (35 %) und Radfahren (33 %). Die Seniorenstudie hat die konkreten Lebenssituationen der Generation durchforstet, etwa die wichtige Frage der Mobilität. Erwartungsgemäß ist der eigene Pkw ab einem Haushaltseinkommen von 1.500 Euro eine Selbstverständlichkeit. Im Schnitt haben 74,1 % ein Auto, auf dem Land sogar 86 %. Deshalb ist das eigene Auto für 81,8 % der Befragten das mit Abstand am häufigsten benutzte Verkehrsmittel. 24,8 % setzen sich in öffentliche Verkehrsmittel, 8,9 % sind mit dem Rad unterwegs.
Zum aktiven Lebensabend gehört auch bei der älteren Generation das Reisen. Für 81,3 % ist es normal, auf Urlaub und auf Reisen zu gehen. 80 % von ihnen bevorzugen die Steiermark und andere Bundesländer Österreichs, deutlich weniger (16,7 %) zieht es nach Übersee. Fast zwei Drittel der Reisen haben die Senioren laut Studie mit dem Auto unternommen, 42 % per Flugzeug und fast ein Viertel vertraute sich einem Reisebus an. Bemerkenswert: Immerhin 13,7 % der Befragten verbringt die kalte Jahreszeit regelmäßig in wärmeren Weltgegenden.
Absolut auf der Höhe der Zeit ist der Umgang der älteren Generation mit den Medien, ergab die Seniorenstudie. Bei den traditionellen Medien Tageszeitung, Radio und Fernsehen ergibt sich das erwartbare Bild einer großen Treue zu den Portalen mit starkem Regionalbezug. Daneben sind die älteren SteirerInnen aber längst in der digitalen Medienwelt angekommen. Sie surfen und chatten im Schnitt 1,9 Stunden pro Tag. Sogar Befragte über 70 Jahren sind im Schnitt 1,7 Stunden täglich online. Bei den sozialen Medien liegt Whatsapp klar voran. Erstaunliche 72,8 % der Befragten gaben an, diesen Dienst zu nutzen.
Bemerkenswert ist das Ergebnis der Seniorenstudie hinsichtlich der jetzigen und der gewünschten Wohnsituation der älteren SteirerInnen. Derzeit leben 97 % in einem Haus oder in einer Wohnung, entweder zur Miete oder im Eigentum. 55 % von ihnen schließen einen Wohnungswechsel aus, aber mit 28,7 % scheinen auffallend viele in dieser Hinsicht flexibel zu sein. Sie können sich eine andere – wohl bessere – Wohnsituation vorstellen. Laut Seniorenstudie sind sie sogar zu einer durchaus radikalen Verhaltensänderung bereit. Auf die Frage, wie die künftige Wohnsituation beschaffen sein soll, gab knapp die Hälfte an, mit einer betreuten Wohneinrichtung oder einem Platz in einem Heim zu liebäugeln. Zehntausende ältere Mitbürger sind also bereit, ihre jetzige Wohnung oder das Eigenheim gegen eine Form des betreuten Wohnens zu tauschen. Der Steiermark steht also ein gewaltiger Wandel auf dem Wohnungsmarkt für Senioren und bei der Betreuung bevor. Gesellschaft und Politik müssen dafür Antworten finden.
Der drohenden Vereinsamung zu entfliehen, ist in dieser Generation ein großes Thema. Die Kontaktsuche, um den eigenen Freundeskreis zu erweitern, geschieht offenbar auch heute überwiegend auf traditionelle, zwischenmenschliche Art. Laut Seniorenstudie suchen Männer nach der Pension Anschluss eher bei Vereinen, Frauen bevorzugen ehrenamtliche Tätigkeiten. 8,8 % setzen nach eigenen Angaben auf Kontakte über Dating-Plattformen im Internet. Ähnliche gering entwickelt ist noch das Wissen über Seniorenportale im Internet. 5 % nutzen solche Plattformen, 6,6 % kennen unser Magazin „Abenteuer Alter“ zumindest dem Namen nach.
Beim Essen sind die steirischen SeniorInnen überwiegend konservativ, laut Studie bevorzugen sie traditionelle Hausmannskost. Die Frauen sind da neugieriger und gesundheitsbewusster. Jede fünfte der Befragten ernährt sich hauptsächlich vegetarisch, vegan oder nach Art der Flexitarier. Bei den Männern ist der Anteil halb so hoch.
Eingehend widmet sich die Steirische Seniorenstudie dem Wertegerüst der älteren Generation. Es dominieren Lebenswerte, die mit Beziehungen zu tun haben, wie Hilfsbereitschaft, Loyalität oder Verantwortungsbewusstsein. Wichtig ist den Älteren Sicherheit und sie hoffen auf Zufriedenheit. Umweltschutz oder Gleichberechtigung sind hingegen keine ganz wichtigen Werte. Glaube und Religion drohen genauso unter die Räder zu geraten wie die Verbundenheit mit der Heimat. Allerdings geht knapp die Hälfte der steirischen SeniorInnen hin und wieder in Tracht aus dem Haus – Städter erstaunlicherweise öfter als Landbewohner.
Auf die Frage, ob sie in ihrem Leben noch etwas erleben oder tun wollen, fiel zwei Drittel spontan offenbar nicht viel ein. Viele liebäugeln immerhin mit einer großen Reise. Es gibt aber auch ganz Lebenslustige, die wollen gar auswandern, noch einmal ein Rennauto fahren oder mit dem Fallschirm springen.
Information zur großen „Steirischen Seniorenstudie“:
Die Generationen-Plattform „Abenteuer Alter“ hat die „Steirische Seniorenstudie“ in Auftrag gegeben. Erstellt hat sie Ende 2019 das Institut bmm (Brandstätter Matuschkowitz Marketing) aufgrund von rund 250 persönlichen Gesprächen mit Personen über 60 Jahren. Die Schwankungsbreite der Prozentangaben beträgt +/- 6,3%.